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Liebesbriefe als Pamphlete: Der SciFi-Roman "Planet Magnon"

20.05.2015, 10:05

Hamburg - "Oh, dieser virtuelle Irrsinn, in dem wir leben, muss sich ändern!" Vor knapp zwei Jahrzehnten prangerte die britische Band Jamiroquai im gleichnamigen Song die vermeintliche "Virtual Insanity" der Jetzt-Gesellschaft an. Nun hat der junge Autor Leif Randt diese Forderung fortgeschrieben.

Er hat eine Welt unter der Herrschaft der tatsächlichen Vernunft geschaffen.

In seinem neuen Roman "Planet Magnon" schwebt das gesichtslose Computersystem "ActualSanity" um einen türkisfarbenen Mond und regelt das Leben der Bewohner des literarischen Sonnensystem. Ganz pragmatisch: über physische Fakten und psychologische Chiffren - also über Big Data -, nicht durch politische Programme oder Standpunkte.

"Planet Magnon" ist ein utopischer Science-Fiction-Roman. Dabei werden aber weder Paradies noch Apokalypse geboten. Randts "ou topos" (Nicht-Ort) ist die zeit- und raumlose Gemeinschaft der Planeten Sega, Cromit, Blink, Snoop, Blossom und Toadstool.

"Ein leichtes, eskapistisches Abenteuer, eine Space Opera - das waren Ansatze, die mich motiviert haben", sagt der 1983 in Frankfurt am Main geborene Autor in einem Interview. Im Sommer 2013 lebte Randt als Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles. Dort sammelte er Szenen und Ideen. "Erst als ich in den deprimierenden deutschen Herbst zurückkam, hatte ich einen Motivationsschub", sagt er.

Man kann seinen dritten Roman auf gewisse Weise als Fortschreibung des hochgelobten und mit einem Sonderpreis des Klagenfurter Bachmann-Wettbewerbs ausgezeichneten Vorgängers "Schimmernder Dunst über CobyCounty" (2011) lesen: Damals war Protagonist Wim ein übercooler Konform-Schnösel, Literaturagent von Beruf.

In "Planet Magnon" gibt es jetzt Marten Eliot, einen Spitzenfellow der Dolfins auf dem Planeten Blossom. Diesem Kollektiv sind Schmerz, Liebe, Leid und Gefühle abtrainiert. "Weil ich kein Profil hätte, würde ich den neuen Dolfin repräsentieren, den frei schwebenden, souverän tastenden Postpragmatiker", monologisiert Marten einmal über sich. Als Vorzeige-Exemplare treten er und sein weibliches Pendant Emma Glendale als Kader des Avantgarde-Kollektivs auf.

"Es ist eine Ideologie, die sich gegen Familie und pro Drogen positioniert, aber dennoch spießig ist", sagt der Autor über das Kollektiv. Marten ist von derselben Mentalität, wie sie bereits in "CobyCounty" angerissen wurde: kühl, distanziert, ein wenig melancholisch.

Und so ist auch die Erzählweise: "Du bist müde", sagt Emma einmal zu Marten ""Ach. Es geht." "Müdigkeit steht dir." Emma nickt und lächelt. Ich freue mich über das Kompliment, aber ich werde mich nicht dafür bedanken." Randt beherrscht wie im Vorgängerroman auch hier die Beschreibung dessen, was gerade nicht geschieht.

Den Spannungsbogen in "Planet Magnon" schafft das neue Kollektiv der "gebrochenen Herzen", das rund 50 Jahre nach Einführung von "ActualSanity" in dem objektiv friedlichen, postpragmatischen Kosmos auftaucht. Es lebt bezeichnenderweise auf dem Planeten Toadstool, wo hochentwickelte Maschinen den Müll des Sonnensystems vernichten. Die Fellows dieses Kollektivs erinnern mit Liebesbriefen, aber wohl auch mit kleineren Anschlägen daran, dass es einmal ein Welt mit Emotionen gab - eine Revolution in der ansonsten vorhersehbaren "Magnon"-Welt.

Die beiden Spitzendolfins gehen als Missionare auf die Reise, diese Gruppierung zu erforschen, ihr näher zu kommen. "Womöglich sieht man mir an, dass ich kein gebrochenes Herz in mir trage", sagt Marten einmal. Kurz vor Schluss stellt er aber fest: "Von nun an spiele ich mein eigenes Spiel." Es kommt zum Showdown wie im klassischen Science-Fiction-Roman. Oder wie der Autor Randt sagt: "Es gab letztlich keine Alternative zu diesem Ende."

- Leif Randt: Planet Magnon. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 304 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-346204720-2.