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Liedermacher Biografie des Ausnahmekünstlers Biege

Vor einem Jahr starb der beliebte Sänger Holger Biege. In "Sagte mal ein Dichter" von Wolfgang Martin kommen Kollegen und Fans zu Wort.

25.04.2019, 23:01

Greifswald (dpa) l Zum ersten Todestag des Sängers Holger Biege ("Wenn der Abend kommt", "Sagte mal ein Dichter") erinnert eine treue Fangemeinde an den Musiker, der im Osten berühmt war, im Westen mehr oder weniger scheiterte. Wenige Wochen vor dem Todestag ist die Biografie: "Holger Biege. Sagte mal ein Dichter" im Verlag Bild und Heimat (Berlin) erschienen. Autor ist der mittlerweile pensionierte Radioredakteur und -moderator Wolfgang Martin, der den gleichaltrigen Biege beruflich kennenlernte und mit ihm befreundet war. Am 25. April wurde in Greifswald eine Gedenktafel an dem Haus enthüllt, in dem Biege mit Eltern und Bruder fast acht Jahre wohnte.

Holger Biege starb am 25. April 2018 mit 65 Jahren in Lüneburg. 2012 hatte er einen Schlaganfall erlitten, verlor seine Stimme, war gelähmt. Er lebte mit seiner Frau zurückgezogen im niedersächsischen Göhrde, kurz hinter der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Geboren wurde er in Greifswald. 1960 zog die Familie nach Berlin, weil Bieges Vater, ein Naturwissenschaftler, eine Stelle an der Akademie der Wissenschaften bekam. Holger und sein älterer Bruder Gerd-Christian machten dagegen die Musik zum Beruf.

In der Biografie Martins kommen vor allem der Schlagersänger Gerd Christian – er ließ als Künstler den Familiennamen einfach weg – und Bieges Frau Cordelia zu Wort, aber auch Musikerkollegen und Fans. Martin umreißt die Entwicklung des Sängers, der sich als Kind selbst das Klavierspielen beibrachte, klassische Musik liebte, eine Lehre und ein Klavierstudium in Berlin abbrach und schließlich 1976 nach dreijähriger Gesangs- und Klavierausbildung seinen Berufsausweis erhielt. Fortan spielte er in mehreren Bands. Seine ersten Soloalben "Wenn der Abend kommt" und "Circulus" erschienen 1978 und 1979.

"Kein Journalist sollte fortan mehr Vergleiche mit möglichen Vorbildern finden, denn Holger Biege hatte seinen eigenen unverwechselbaren Stil kreiert", schreibt Martin. Der Pianist, Sänger, Komponist und Arrangeur sei als "genialer Ausnahmekünstler" gefeiert worden. Für seinen Bruder Gerd Christian komponierte er mehrere Lieder. Doch das Verhältnis zwischen beiden war kompliziert.

Biege habe sich mit seiner Unzufriedenheit oft selbst im Weg gestanden, schreibt Martin. 1982 – Biege wurde 30 – habe er sich verstärkt gefragt, wie es mit ihm in der DDR weitergehen sollte. "Er hatte große künstlerische Pläne, wollte in seinen Songs in neue musikalische Welten aufbrechen, kritischer in den Texten sein – als er es ohnehin schon war", schreibt Martin.

Cordelia Biege erzählt, ihr Mann habe nach der Ausbürgerung des Sängers Wolf Biermann 1976 noch einige Jahre Konzerte in Westberlin gegeben. Eines Tages sei ihm mitgeteilt worden, er dürfe noch einmal fahren. Doch das werde sein letzter Auftritt sein. Es habe wie eine Aufforderung geklungen, die DDR zu verlassen. Am 21. April 1983 blieb er im Westen. Frau und Sohn konnten ihm ein halbes Jahr später nach Hamburg folgen.

1984 erschien Bieges erstes West-Album, "Das eigene Gesicht". Seine Schwierigkeiten begannen damit, schreibt Martin, dass bei ihm immer dieses "Abgehauener Ost-Künstler müssen wir erstmal machen" – Gefühl mitschwang. Der Fan und Verleger Ulf-Peter Schwarz aus Grevesmühlen, der 2018 ein Biege-Liederbuch mit Texten und Noten herausgab, sagt: "Biege hat sich den Medien nicht untergeordnet, er ließ sich nicht in eine Schublade stecken." Er habe sich lieber selbst vermarktet, als einen Manager zu akzeptieren. Aber das sei sehr schwierig gewesen.

Mitte der 1980-er Jahre nahm Biege einen Job beim Otto-Versand an, um die vierköpfige Familie über Wasser zu halten. Cordelia arbeitete wie in Magdeburg in ihrem Beruf als Kindergärtnerin. In der Wendezeit schrieb Biege: "Mein Fortgehen aus der DDR habe ich immer als Vertreibung empfunden." Er habe in der DDR in einem merkwürdigen Zwiespalt zwischen Hoffnung und Angst gelebt, im Westen habe er sich dem Diktat des Marktes ausgesetzt gesehen. 1990 trat der Sänger erstmals wieder im Osten auf. Die Familie lebte einige Jahre in Berlin, zog dann ins Wendland, Bieges letzten Wohnsitz.

Als Zentrum der Biege-Verehrung kristallisiert sich Mecklenburg-Vorpommern heraus. Mitte Mai soll es auf der Insel Rügen das erste Holger-Biege-Liederfestival geben. Dazu werden in Lieschow unter anderem Tina Rogers, Gerd Christian und der Greifswalder Musiker Thomas Putensen erwartet. Sie spielten schon in Bad Kleinen in Nordwestmecklenburg die letzten Geburtstagskonzerte für Biege und sangen seine Lieder, als der Sänger schon keine Stimme mehr hatte.