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Literatur Eine Liebe zu Wörtern

Die Burger Autorin Dorothea Iser hat ihre Romantrilogie beendet und sich zu ihrem 70. Geburtstag selbst das größte Geschenk gemacht.

Von Grit Warnat 15.07.2016, 01:01

Burg l Sie sieht erleichtert aus, wie sie da zwischen sattem Grün und der Farbenpracht der Blumen in ihrem Garten sitzt und über das Cover streicht. „Mutterland“ ist gedruckt, fertig, abgehakt, die Trilogie „Kein Gott in der Nähe“ damit beendet.

Als es Dorothea Iser einst geritten hat, das literarische Großprojekt einer Trilogie auf sich zu nehmen, hatte sie sich nicht ausmalen können, was da an Arbeit und Kraft investiert werden muss. Heute weiß sie es: Zehn Jahre zwischen Schreibfreude und Motivationshemmung. Sie selbst spricht von einer gewaltigen Herausforderung. „Aber jetzt bin ich glücklich.“

Vielleicht wäre ihr ja all das schriftstellerische Figurenzeichnen um ihre Protagonistin Susanne Lippmann, das Ausarbeiten der Handlung, das Streichen und Überarbeiten im dritten Teil leichter gefallen, gäbe es nicht links und rechts des Weges so viele Aufgaben. Dorothea Iser, verheiratet, zwei Kinder, mehrere Enkel und Urenkel, ist bekannt für ihre Liebe zu den Wörtern, die sie unbedingt mit anderen teilen möchte. Sie ist kein Ich-Mensch, der sein Wissen in sich eingräbt, sondern ein Wir-Mensch, der die eigene unbändige Freude an Literatur und Sprache weitergeben will, weitergeben muss. Dafür investiert die Autorin von Erzählungen, Kinderbüchern, Romanen jede Menge Zeit.

Wer Thea, wie sie von Freunden genannt wird, kennt, weiß, dass das Leben der Noch-69-Jährigen ohne Kurse, ohne Autorenkreise, ohne Werkstätten, ohne Lektorentätigkeit, ohne Vorsitz im Friedrich-Bödecker-Kreis, den sie vor 25 Jahren mitbegründete, undenkbar ist. Viele, viele Jahre schon organisiert sie Zirkel, betreut Autoren. Fürs Schreiben brauche man Stilistik und Struktur, sagt sie. „Alles hat eine innere Logik. Texte müssen sich entwickeln, sie müssen aufgehen.“ Das ist ihr Anspruch an sich selbst. Und wenn dies auch bei anderen klappt, ist sie zufrieden.

Iser, in Elbingerode geboren, im Harzland aufgewachsen, studierte Pädagogik in Weimar. Dann doch der Schwenk zum Literarischen, Fernstudium am Leipziger Literaturinstitut. Bis heute ist beides in ihr vereint.

Die Arbeit mit Menschen, die Lust am Fabulieren und am Geschichtenerzählen haben, hat die in Niegripp bei Burg lebende Autorin vom 2011 verstorbenen Schriftsteller Heinz Kruschel gelernt. Sie war einst in seinem Zirkel. Bei Kruschel sei es immer um die Qualität der Texte gegangen. Schreiben, ja, das sei wichtig gewesen, erzählt sie, aber Kruschel habe immer Wert aufs Zuhören, aufs Analysieren gelegt. „Wie will man es sonst schaffen, Einblicke in innere Welten geben zu können?“

Die Iserschen Texte leben von inneren Welten. Wie die eines 18-jährigen Mädchens, das aus dem Jugendwerkhof entlassen wird (Iser arbeitete zu DDR-Zeiten einige Jahre als Pädagogin dort) oder die ihrer Trilogie-Protagonistin Susanne, die sich an Kindheit, Arbeit, Lieben, Freundschaften erinnert.

Der Name Iser steht auch für eine gewisse Melancholie. Sie nennt sich nicht eine Stimme der Schwächeren, das würde sie anmaßend empfinden, aber sie hat immer Energie aufgebracht für die Schwachen dieser Gesellschaft. Iser schrieb über Achterbahnfahrten von Patienten der Psychiatrie. Im Fachkrankenhaus Jerichow hat sie mit Patienten literarisch gearbeitet.

Wie ihr Mentor Kruschel fördert sie auch Kinder und Jugendliche. Die 69-Jährige geht in Schulen, liest Texte, erzählt vom Schreiben und hofft, dass doch ein Funke ihrer Begeisterung überspringen möge. „Lesen regt das Schreiben an“, sagt sie. „Man kann es lernen, Gefühle auf Papier zu bringen.“

Im Garten in Niegripp, fern von betriebsamer Hektik, sinniert die Autorin gern über diese Welt der Wörter. Sie soll uns berühren und helfen, unseren Blick zu weiten auf all das, was unser Leben ausmacht. „Was ich alles entdecken kann durch Literatur“, sagt sie und lächelt.

Und mit 70? Was wird sich ab Montag ändern? „Natürlich nichts“, antwortet sie. Sie werde lesen und schreiben, für sich, für andere. „Das ist eine Freude, auf die ich nicht verzichten möchte.“

Welch eine Gabe, nicht müde zu werden, an die Kraft der Poesie zu glauben.

Buchpremiere am 19. August, 19 Uhr, Bibliothek „Brigitte Reimann“ in Burg