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Verlagsgeschichte Der Wille zum Buch

Harry Ziethen gründete 1991 in Oschersleben einen eigenen Verlag. Er veröffentlicht 30 Bücher im Jahr.

Von Grit Warnat 02.08.2016, 01:01

Oschersleben l Harry Ziethen ist gebürtiger Rudolstädter. Er kennt den einst dort ansässigen renommierten Greifenverlag und dessen traurige Geschichte. Das Haus wurde ohne Bonitätsprüfung des Käufers durch die Treuhandanstalt veräußert. Die Kaufsumme ging nie ein, wenig später wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Es ist jene Zeit, als Harry Ziethen, Literatur-, Kulturwissenschaftler und Soziologe, Studium und Promotion in Leipzig, sich entschloss, einen eigenen Verlag zu gründen. Ein Konzept hatte er dafür entwickelt, anfangs auch einen Partner. Dass dann alles ganz anders kam, sieht er mit heutigem Abstand gelassen. Bereut habe er die Entscheidung nie, sagt Ziethen. Er ist seit 25 Jahren in der Doppelfunktion als Lektor und Verleger tätig. Und der 67-Jährige verliert noch keinen Gedanken ans Aufhören. Lieber plant er für sich eine Sieben-Tage-Arbeitswoche. Da muss man die Frage nach dem Spaß an der Arbeit nicht stellen.

Dass es Jahre wie jetzt geben wird, in denen das dreiköpfige Team 30 Titel herausgibt, daran war anfangs nicht zu denken. Zwei bis drei Bücher hat Ziethen da auf den Markt gebracht und seine kleine Firma mit Visitenkarten und Briefbögen am Leben gehalten. Längst hat er solche Nebenschauplätze abgegeben, macht nur noch Bücher.

Heute stapeln sich bei ihm die Manuskripte. Er liest in jedes rein, entscheidet, ob es ins Programm passt. „Ich muss ein Buch machen wollen.“

Ziethen und sein Verlag sind von Anbeginn Adresse für regionale Autoren, für Menschen, die sich der sachsen-anhaltischen Landschaft und ihrer Kulturgeschichte verschrieben haben, für Vereine und Dorfchroniken. Magdeburger Börde, Vorharz, ostelbische Bereiche, Altmark. Diese Themen liegen auch am Faible des Chefs. Kulturgeschichtlich ist er äußerst interessiert. Wenn man sich mit ihm unterhält, merkt man schnell, in der Historie sollte dem Autor kein Fehler unterlaufen. „Ich lerne aber auch sehr viel“, sagt Ziethen, der sich nicht scheut, die von seinen Autoren beschriebenen Kirchen, Plätze, Dörfer zu erkunden. „Sie öffnen mir die Augen für sonst nicht Gesehenes.“ Überhaupt scheint er alles speichern zu können. Handlungsstränge aus von vor Jahren erschienenen Büchern erzählt er wie gerade erst gelesen. Das sei schon immer eine Gabe gewesen, sagt er.

Schriftsteller wie Martin Selber, Gunther Hirschligau, Christian Amling, Hanns H.F. Schmidt, Walter Merfert haben bei ihm veröffentlicht. Der neue Kriminalroman von Bernd Kaufholz ist im Ziethen–Verlag herausgekommen, ebenso ganz aktuell das Buch von Wegbegleitern und Freunden anlässlich der Verabschiedung von Domprediger Giselher Quast.

Zudem stellt der Verlag seit 1997 die Literaturzeitschrift für Sachsen-Anhalt „Oda – Ort der Augen“ in einer 1000er–Auflage her. Der Friedrich-Bödecker-Kreis gibt sie heraus, finanziell unterstützt vom Kultusministerium.

Längst kommen die Autoren nicht mehr nur aus der Region. Ralp Grüneberger zum Beispiel ist ein Lyriker aus Leipzig und Ziethen stolz, dass dessen neue Gedichte bei ihm erschienen sind. Drei Gedichtbände im Jahr gönnt er sich. Wie Grünebergers „Die Saison ist eröffnet“. Der ansprechend gestaltete Band liegt druckfrisch vor Ziethen. Karl Oppermann, der renommierte gebürtige Wernigeröder Maler, hat Zeichnungen beigesteuert.

Immer wieder setzt der Verleger auf Zeichnungen in seinen Büchern. „Sie dürfen aber nicht illustrieren“, sagt er. Das nehme die Fantasie beim Lesen. Vielmehr sollen sie in Zwiesprache geben mit dem Text, sich mit einem ähnlichen Thema befassen, geistige Pausen ermöglichen. So treffen Grünebergers eher sachliche Texte auf einen fantasievollen Oppermann.

„Bei Buchpremieren sehe ich, dass Gäste im Buch blättern, innehalten und anfangen zu lesen“, sagt Ziethen. Jeder Titel seines Hauses wird mit einer Buchpremiere gefeiert. „Vor allem soll der Autor einen schönen Tag haben, an dem ihm alle Zuwendung gewiss ist“, sagt der Verleger. Zudem freut er sich über die Reaktionen auf seine Bücher und über einen Verkauf ohne Rabatte für die Internet-Großhändler Amazon und Libri.