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Dali Exhuminierung als surreales Event

Hunderte Schaulustige in Figueres im Nordosten Spaniens: Dort wurde nach 30 Jahren der Sarg von Salvador Dalí geöffnet.

21.07.2017, 23:01

Figueres (dpa) l Surreal war die Kunst von Salvador Dalí, und surreal ist auch das, was sich in der Krypta seines Museums im katalonischen Figueres abspielte. Denn das Grab, in das der Meister vor fast 30 Jahren mit großem Brimborium gebettet worden war, musste auf Anordnung der spanischen Justiz geöffnet werden. Nicht alle waren damit einverstanden, die Ruhe des Maestro zu stören. Dalís Stiftung hatte sogar bis zuletzt versucht, die schaurige Aktion vor Gericht zu stoppen.

„Das Ganze ist wie ein schlechter Witz“, entrüstete sich eine Frau aus Figueres gegenüber spanischen Journalisten. Sie erinnere sich noch gut daran, wie sie 1989 dem einbalsamierten Leichnam die letzte Ehre erwiesen habe. Ein anderer Bürger gab sich milder: „Dieser Zirkus in seinem Museum, der hätte ihm gefallen.“ Denn der Surrealismus-Künstler Dalí (1904-1989) war ein Mann der Provokationen, überheblich und eitel - und wusste sich wie kaum ein anderer in Szene zu setzen. Auch nach seinem Tod.

Mehr als 60.000 Menschen säumten seinerzeit die Straßen der Ortschaft, um von ihm Abschied zu nehmen, Diener in von Dalí entworfenen Phantasieuniformen trugen den dunklen Sarg zur Grabstätte. Trotz aller Kritik, eine etwas morbide Frage bewegte doch viele: Hat er noch sein berühmtes Zwirbelbärtchen? Aber der Reihe nach. Es geht um eine Vaterschaftsklage. Die Spanierin Pilar Abel Martínez behauptet, von dem Künstler gezeugt worden zu sein, als ihre Mutter in den 1950er Jahren eine Liebesbeziehung zu Dalí unterhielt. Sollte sich das als wahr herausstellen, würde dies ein neues Licht auf den Exzentriker werfen – hatte der doch einen Großteil seines Lebens behauptet, impotent und sexuell unerfahren zu sein.Mit einer massiven, eineinhalb Tonnen schweren Marmorplatte war die Totengruft per Flaschenzug damals verschlossen worden – darunter sollten auch die vielen Mythen und nie aufgeklärten Gerüchte, die Dalí umgaben, für immer beerdigt werden. Nun half ein Team von Bauarbeitern, den Stein zu heben.

Mit möglichst wenig Aufsehen wollte die Gala-Salvador-Dalí-Stiftung, die sich energisch gegen die Anordnung gewehrt hatte, die Graböffnung hinter sich bringen. Die wenigen Anwesenden - darunter Gerichtsmediziner, Juristen und die Bürgermeisterin von Figueres - wurden zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Bereits am Eingang mussten sie ihre Smartphones abgeben, Fotos waren strengstens verboten.

Ein paar Details kamen dennoch ans Tageslicht. So erklärte Bürgermeisterin Marta Felip nach dem Verlassen des Museums vor Hunderten Schaulustigen und Journalisten, der Leichnam sei in gutem Zustand. Luís Peñuelas, Generalsekretär der Stiftung, lüftete dann am Morgen das ultimative Geheimnis: Das berühmte Bärtchen ist intakt und steht hochgezwirbelt in Position. Der zuständige Einbalsamierer Narcís Bardalet, der Dalís Körper mit Chemikalien konserviert hatte, zeigte sich zufrieden.

Gleichzeitig machte die Stiftung ihrem Ärger Luft: „Uns hat das alles sehr traurig gemacht – und nicht nur uns, sondern viele Menschen, die Salvador Dalí geliebt haben.“ Haare, Nägel sowie Knochenproben wurden entnommen und in einem sargähnlichen Behälter abtransportiert. In etwa zwei Wochen soll laut dem Anwalt von Klägerin Abel Martínez (61) ein Ergebnis vorliegen, bevor der Richter am 18. September sein Urteil fällt.

Seine Mandantin, die selbst Mutter von vier Kindern ist, sei nervös, sagte Verteidiger Enrique Blánquez. Aber es sei auch wichtig für sie, „den Kreis endlich zu schließen“. Schon so lange wolle sie wissen, wer ihr Vater sei.

Abel Martínez hatte immer wieder betont, es gehe ihr nur darum, den Namen des berühmten Malers, Bildhauers und Grafikers tragen zu können. Ihr würde aber auch ein millionenschwerer Pflichterbteil zustehen.

Mutter Antonia, die das Verhältnis mit dem Künstler unterhalten haben soll, lebt übrigens noch. Allerdings leidet die 86-Jährige an Demenz und steht als Zeugin nicht mehr zur Verfügung.

Was der DNA-Abgleichungstest auch ergeben mag – diese Nacht in Figueres wird auf jeden Fall im Gedächtnis bleiben. Augenzeugen sprachen von einem „surrealen Spektakel“. Es war fast, als seien die makabren Fantasien, die der Meister in seinen Bildern verewigt hatte, für einen Moment lang Realität geworden.