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Designpreis Zeit für Zeit

Der Designpreis Halle widmet sich in diesem Jahr dem Thema Zeit. In der bis 11. Juni zu sehenden Ausstellung werden 15 Arbeiten präsentiert.

Von Uta Baier 25.05.2017, 23:01

Halle l Die Zeit vergeht, dehnt sich, ist aus den Fugen oder reicht einfach immer nicht. Schriftsteller haben das Vergehen der Zeit auf unterschiedlichste Weise beschrieben. Designer variieren meist nur die Form der Uhren – es sei denn, sie werden nach Halle zu einem Designwettbewerb mit dem Thema „Zeit“ eingeladen. Dann wird Zeit zur Schnur, zur Rechenaufgabe, zum Riecherlebnis, zum Strichcode oder zum Goldring.

Dass der Designpreis Halle bereits bei seiner vierten Ausschreibung eine weltweit beachtete Bühne für junge Kreative (Studenten und Absolventen) geworden ist, dokumentieren die 375 Arbeiten von Designern aus 31 Ländern (darunter Iran, Israel, Kuba, Mexiko, USA, Russland, Belgien, Deutschland), die in diesem Jahr nach Halle geschickt wurden. Die besten 15 werden jetzt in einer kleinen, sehr besonderen Ausstellung im Haus des ehemaligen Instituts der Physikalischen Chemie der Martin-Luther-Universität zwischen Dom und Kunstmuseum Moritzburg gezeigt.

Der Ausstellungsraum, ein vom Fußboden bis zur Decke, von der Schublade bis zur Abzugshaube und von der Türklinke bis zur Fensterscheibe in strahlend weiße Farbe getauchtes ehemaliges Labor, wirkt selbst wie aus der Zeit gefallen. Während der Verfall des Universitätsgebäudes mit Hörsaal, Laboren und Büros seit Jahren fortschreitet, ist dieses eine Labor nun eine gleißende Zukunftskapsel, in der es keine Zeit gibt - außer die, die die ausgestellten Arbeiten anzeigen oder anzuzeigen vorgeben. Denn die ausgewählten Arbeiten dokumentieren, dass die Designer das Thema sehr ernst genommen haben und vor allem Zeit-Messer und Zeit-Anzeiger erdachten.

Moritz Jähde aus Karlsruhe zum Beispiel hat den Abreißkalender mit Datum und Spruch nicht als allzu verlässlich erlebt, sondern als „Spiegel der eigenen Unzuverlässlichkeit“. Allzu oft werde das Datumsblatt nicht regelmäßig abgerissen und die Zeit stehe - zumindest am Kalender - still. Das wollte Jähde verhindern und hat seinem Kalendervorschlag das immer richtige Datum gegeben: today erscheint nach jedem Abreißen neu. Axel Schindlbeck aus Marseille dagegen hält Zeit für eine Rechenaufgabe und hat eine Uhr mit digitaler Anzeige entwickelt, bei der die aktuelle Zeit vom Betrachter jeweils errechnet werden muss. Seine Uhr zeigt also beispielsweise nicht 18:56 Uhr an, sondern 8+10:65-9 Uhr. Dafür bekam er den zweiten, mit 3000 Euro dotierten Preis, der gemeinsam vom Land, von der Stadt Halle, von ihrer Kunsthochschule und vielen Unternehmen finanziert wird.

Mit dem ersten Preis (5000 Euro) wurde die Idee von Felix Vorreiter für eine Uhr, die die Zeit – im wahrsten Sinne des Wortes – vermisst, ausgezeichnet. Ein Tag ist bei Vorreiter 1,2 Kilometer lang, ein Stunde 50 Meter, eine Sekunde knapp 14 Millimeter. Ein Schnursystem mit Markierungen fügt sich zu jeder vollen Minute so zusammen, dass die Zeit ablesbar ist. Leider wurden in Halle die Schnüre nicht durch den Raum gespannt, so dass die Uhr nicht funktioniert.

Bei Patrick Palcic aus Berlin dagegen kann man das Verstreichen der Zeit riechen. Palcic hat eine olfaktorische Uhr gebaut, bei der immer zur vollen Stunde ein neuer Duft über das Zifferblatt läuft. Wie entscheidend die Zeit für die Breite eines Eheringes sein kann, zeigt Klemens Schillingers Arbeit „Element 79 - Aurum Charts“. Schillinger dokumentiert, wie viel Ring man sich in Abhängigkeit vom Goldpreis in den vergangenen Jahrzehnten leisten konnte.

Keines der 15 Designobjekte wird wohl in Serienproduktion gehen, doch als kinetische Kunstwerke, als Memento mori und als freundliche Ermahnungen, der Zeit Zeit einzuräumen, funktionieren die Arbeiten des diesjährigen Designpreises Halle perfekt. Ganz sicher werden viele von ihnen in zukünftigen Kunstausstellungen zu sehen sein.

Außerdem steht fest: Diese kleine, weiße, weise Ausstellung zum Thema Zeit ist keine Zeit-Verschwendung.

Die Ausstellung ist zu sehen in Halle, Gebäude der Physikalischen Chemie der Martin-Luther-Universität, Mühlpforte 1, bis 11. Juni, täglich geöffnet (Mo-Fr 14 bis 19 Uhr, Sa-So 10 bis 19 Uhr), Eintritt frei. Weitere Informationen auch unter www.designpreis-halle.de