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Domplatz-Open-Air Der Hero fällt in Magdeburg

Zur Premiere von Andrew-Lloyd-Webber-Musical „Jesus Christ Superstar“, dem Open-Air des Theaters Magdeburg, gab es Standing Ovations.

Von Grit Warnat 18.06.2018, 09:47

Magdeburg l Ganz zum Schluss, es ist Nacht auf dem Domplatz, hängt Jesus am Kreuz, und die Streicher des Orchesters übernehmen das Zepter. Die gotische Kathedrale ist kurzzeitig angestrahlt, ein berührendes Schlussbild. Das Gotteshaus wird wieder einmal zum Mitspieler. Dieses Mal besonders intensiv, weil die Bühne so flach ist und minimalistisch wie selten zuvor beim Domplatz-Open-Air, dessen Kritiker im Vorfeld nicht zum ersten Mal eine Verlegung an einen anderen Platz fordern. Wo bitte soll dieses Musical gezeigt werden, wenn nicht dort, wo es jetzt läuft?

Die Bühne (von Rifail Ajdarpasic) ist eine riesige Treppe, wie ein Aufgang in einen Kirchenraum, auf der die Menge jubelnd tanzt und ausgelassen ihren Superstar, ihren Hero, feiert. Die Masse ist dunkel, düster. Lederjacken, Jeans, Hemden. Jede Klamotte grau und schwarz, nur Jesus sticht heraus mit seinem weißen Shirt. Alles ist lässig, aber vor allem uniform, einheitlich.

Zum Ende hin, als der Verrat durch Judas an Jesus gewiss ist, als diese vorher so große Euphorie in Ablehnung und Hass umschlägt, rüstet sich dieses Volk, wird bedrohlich und taucht auch mit zunehmender Dunkelheit noch tiefer ab ins Düstere.

Die Menge, Kapuzen hochgezogen, Sonnenbrillen auf (Regie und Kostüme Sebastian Ritschel), ist da schon längst bewaffnet mit Eisenstangen, Baseballschlägern und Fackeln. Es ist genau das, was man heute Mob nennt, der, erst einmal losgelassen, nicht mehr zu halten ist. Er fordert lauthals singend: „Wir wollen ihn am Kreuz“, schlägt aber zuvor erst einmal zu. Mit 39 Peitschenhieben wird Jesus der Rücken blutig geschlagen. Pontius Pilatus (Johannes Wollrab) hoch oben im Glockenturm zählt zackig mit. Und während er im großen Wasserbecken auf der Bühne die Hände in Unschuld wäscht, ist die Meute losgelassen. Das sind nicht nur intensive Bilder, sie sind vor allem sehr heutig und glaubwürdig und deshalb erschreckend.

Tobias Bieri verkörpert den Jesus und gibt ihm mit starker, zarter Stimme viel Bescheidenheit und Zerbrechlichkeit. „Warum muss ich sterben“, fragt er und reißt förmlich an den übergroßen HERO-Buchstaben, während die Jünger und Jüngerinnen als Schnapsleichen in der Ecke liegen. Ihm kann auch Maria Magdalena (Julia Gámez Martin) nicht helfen, die ihre Liebe schließlich herzerwärmend beschwört.

Timothy Roller ist auch von der Statur her viel kraftvoller und unbändiger als Bieri. Erst 26 ist er, hat die Ausbildung gerade abgeschlossen, bringt aber trotzdem schon sehr emotionale Bilder des Zweifelns, der Zerrissenheit. Der Mahner, der Warner liegt am Boden, völlig allein auf der Bühne. Die ist wie aus Stein, betont das Kalte und diese Einsamkeit.

Aber es gibt auch prallen Glamour, wenn die Bühne zur glitzernden Showtreppe wird und die Tänzer des Balletts wie im Friedrichstadtpalast golden und glimmernd die Beine in die Höhe reißen. Jede Menge Ironie gibts inklusive.

Gefeiert werden zum Schluss 75 Mitwirkende - Solisten, Opernchor und das Ballett. Und dann springt Damian Omansen mit Taktstock zu den beklatschten Sängern und Tänzern. Er hat die musikalische Leitung und holt 50 Musiker der Philharmonie ins Rampenlicht, die den ganzen Abend über für Rock, Folk und Klassik, jede Menge Krawumm, aber auch jene zarten Streichertöne zum Schluss gesorgt haben. Das Orchester sitzt hinter der Bühne. Es ist diesmal überhaupt nicht sichtbar. Schade ist das, nicht nur, weil dieses Musical so sehr von der Webberschen Musik lebt, sondern weil man sich immer bewusst machen muss, dass nichts aus der Dose kommt. Selbstverständlich ist das nämlich keineswegs.

Gespielt wird Mittwoch bis Sonntag, noch bis zum 8. Juli. Beginn ist jeweils um 21 Uhr. Karten kosten zwischen 25 und 53 Euro.