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Erhaltung Die Erforschung der Farbenwelt

Archäologen graben aus, Restauratoren erhalten. Die Gewänder des Erzbischofs Otto von Hessen sind Neuland für die Textilrestauratorin.

29.11.2018, 23:01

Halle (dpa) l Das Surren der Klimaanlage erfüllt den Raum. Es ist eine Operation der besonderen Art, die mehrere Tausend Stunden dauert. Die Frau mit Mundschutz ist konzentriert. Ihre Hände stecken in blauen Gummihandschuhen. Während sie vorsichtig mit Pinzette und Nadel hantiert, schaut sie durch das Mikroskop, das an einem stählernen Arm hängt. Vor der Textilrestauratorin Friederike Leibe liegt auf dem Tisch in der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums Halle der Erzbischof Otto von Hessen, 657 Jahre nach seinem Tod.

Bei Grabungen im Magdeburger Dom 2006 und 2009 kamen etliche Grüfte zum Vorschein. Dazu zählten die von Königin Editha (910-946) – erste Frau des Kaisers Otto des Großen (912-973) – sowie der Erzbischöfe Wichmann von Seeburg-Querfurt (circa 1116-1192) und Otto von Hessen (1301-1361). Mittlerweile sind die archäologischen Untersuchungen an Editha und Wichmann abgeschlossen, bei Otto von Hessen wird es noch Jahre dauern.

"Das ist eine sehr kleinteilige Arbeit. Ich habe allein ein Jahr gebraucht, die Gewänder um den toten Erzbischof Otto herum freizulegen und zu reinigen", sagt Leibe. Der Bischof wurde im festlichen Ornat, das aus mehreren Lagen von Gewändern besteht, bestattet. Der Stoff ist zwar braun und schlecht erhalten, aber die Muster sind noch da, und das kann rekonstruiert werden.

"Ursprünglich war das Seidengewebe mit Goldfäden durchwirkt, wahrscheinlich dreifarbig, weiß, rot und golden. Aber die Textilien zu festigen und somit konservatorisch zu erhalten, ist schwierig. Wir betreten hier fachliches Neuland", sagt Leibe. Gesucht wird noch eine Substanz, die den Stoff zwar festigt, aber nicht alle Lagen miteinander verklebt, damit auch künftige Analysen möglich sind.

Ab Januar schreibt Leibe über die Restaurierung des Gewandes von Otto von Hessen ihre Doktorarbeit. Sie geht davon aus, dass viele der Gewandstoffe 50 bis 100 Jahre vor der Bestattung entstanden sind. "Es war damals nicht unüblich, dass Bischöfe in getragenen liturgischen Gewändern beerdigt wurden. Denn diese Stoffe waren geweiht und konnten nicht einfach entsorgt werden", sagt die Expertin.

Der Sarg ist aus Holz. Die Sargbretter müssen noch untersucht werden. "Holzsärge aus dem Mittelalter gibt es nicht so viele", erläutert Leibe. Bei Fragmenten, die am Fußende des Leichnams lagen, könnte es sich um die Mitra, die Kopfbedeckung des Bischofs handeln, zudem fanden sich im Sarg der hölzerne Bischofsstab, Kelch und Patene, das ist der Hostien-Teller.

Im Kopfbereich befinden sich Glasperlen, das zeigte eine Röntgenaufnahme. Auf dem Bild zu erkennen ist auch eine pflanzliche Unterlage, wahrscheinlich Stroh. Zudem liegt der Kopf des Bischofs auf drei Kissen, deren Reste noch deutlich zu erkennen sind. Auch die Bischofshandschuhe sind erhalten. Zur Todesursache von Otto ist wenig bekannt. Er ist der Ur-Ur-Enkel der heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231).

Dass sich überhaupt die Textilien über Jahrhunderte bis heute erhielten, ist dem Umstand zu verdanken, dass der Bischof in einer Gruft unter dem Magdeburger Dom lag. "In der Gruft herrscht ein saures Klima, dies ermöglichte es, dass sich das Seidenornat des Bischofs erhielt, dagegen hätte sich Baumwolle längst zersetzt", sagt Chefrestaurator Christian-Heinrich Wunderlich.

Seit Anfang November sind Stücke aus den Gräbern der Bischöfe im neuen Dommuseum Magdeburg ausgestellt, einige wenige fehlen noch. "Die Maße von mehreren Vitrinen stimmten nicht, da ist etwas schief gelaufen und muss korrigiert werden", sagt die Archäologin im Dommuseum Magdeburg, Ulrike Theisen. "Nach jetziger Planung sollen die neuen Vitrinen in der zweiten Januarhälfte eingebaut sein, möglicherweise ist das auch schon früher möglich." Dann sind auch die hölzernen Bischofsstäbe Wichmanns und Ottos zu sehen. Ebenso sollen der Hostienteller, die Mitra und die Schuhe von Wichmann in die Vitrinen kommen.