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Festival Im Dickicht des Waldes

Versteckt im Wald bei Benneckenstein gibt es eine Bühne, die vom 5. bis 14. August zum zweiten Mal mit einem Festival belebt wird.

Von Grit Warnat 28.07.2016, 01:01

Benneckenstein l Die Sonne lacht durchs Blätterdach auf die Waldbühne. Sommerliche Idylle. Das Finkenmanöver findet alljährlich dort statt. Ansonsten herrscht Stille an diesem über viele Jahre vergessenen Rund, wäre da nicht das Festival Theaternatur. Am 5. August startet es in seine zweite Auflage. Janek Liebetruth, gebürtiger Wernigeröder, der in Benneckenstein aufwuchs, ist der energiegeladene Festivalmacher. Er hängt an dieser Bühne, auf der er einst selbst gespielt hat. Als Vorstandsvorsitzender des veranstaltenden Vereins Kulturrevier Harz will er die Bühne dem Dornröschenschlaf entreißen. Die Zahlen geben ihm Zuversicht: 2500 Zuschauer erlebten die Festivalpremiere im vergangenen Jahr. So viele Karten seien jetzt schon im Vorverkauf weg, sagt Liebetruth.

Seit fünf Wochen probt er mit einem eigens zusammengestellten Schauspielerensemble. Der freie Regisseur, der zwischen Stuttgart und Berlin arbeitet, inszeniert Friedrich Schillers Stück „Die Räuber“. Das spielt im Original in einer finsteren Schlucht des Böhmerwaldes.

Nun, finster ist es nicht auf der Waldbühne, aber das grüne Ambiete passt nicht nur perfekt zum Festivalmotto „#Im Dickicht des Waldes“, sondern auch zum Schiller’schen Drama. Benjamin Kramme, der als Kommissar für den Erfurter „Tatort“ vor den Fernsehkameras stand und jetzt erstmals die Benneckensteiner Bühne kennengelernt hat, schwärmt: „Es ist eine unglaubliche Atmosphäre hier. Akustisch lässt es sich gut spielen.“ Kramme ist als Karl Moor zu sehen, der anfangs geliebte Sohn der Familie, der Intrigen und Enttäuschungen erleben muss und sich in einer Räuberbande wiederfindet.

Liebetruth hat eine eigene Lesart des Stückes. Sie sei modern, sagt er, werde aber den Figuren und dem Text gerecht, auch wenn in seiner Inszenierung aus dem Vater eine Mutter und die Adelsfamilie eher ins Investment transportiert wird. Liebetruth will in den Köpfen der Zuschauer heutige Bilder entstehen lassen. „Es taucht nie das Wort Terror auf, es stehen auch keine Islamisten auf der Bühne, aber den gedanklichen Raum dafür will ich öffnen“, sagt er.

„Karl erlebt persönliche Frustration und verrennt sich in einer Radikalisierung. Es endet in Gewalt und Mord“, sagt Benjamin Kramme über die Figur, die er verkörpert. Er arbeitet für Film, Fernsehen, Theater, als Hörspielsprecher. Von dem Festival in Benneckenstein hat er vom Schauspieler-Kollegen Mark Pohl gehört. Pohl, der unter anderem in den Fernseh-Krimiserien „Tatort“ und „Bella Block“ zu sehen war, spielte zur Festival-Premiere im vergangenen Jahr in Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Auch Angelika Böttiger, bekannt aus den „Krause“-Filmen an der Seite von Horst Krause und Carmen Maja-Antoni, ist erneut für die Schauspielproduktion des Vereins angereist.

Die Bühne, von Hannes Hartmann weiß, spartanisch, modern gestaltet, wird sich im Laufe des Festivals immer ein klein wenig verändern. Wenn getanzt wird zum Beispiel oder wenn Filme laufen. Überhaupt hat das Festival eine breite Mischung der Genres. Liebetruth hat dafür erstaunlich viele künstlerische Partner (und geldgebende Sponsoren) gewinnen können. Das Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters wird aufspielen, ein internationales Ballettensemble zeitgenössische Choreographien bei einer Ballettgala tanzen. Zwei Werke von Marco Goecke, Choreograph des Jahres 2015, werden zu erleben sein. Ein interdisziplinäres Kunstprojekt namens „Wald|Sinn|Phonie“ mit Musik, Tanz, Schauspiel, Kunstinstallationen und Performance lässt ebenso Dickicht, Wald, Natur aufleben wie der Film „Könige der Nutzholzgewinnung“, der vor zehn Jahren im Nachbarort Tanne gedreht wurde.

Und gruseln darf man sich auch, wenn zwischen den Wipfeln zum schaurigen Thriller „Blair Witch Projekt“ geladen wird.