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Festival Im Wunderland der Puppen

Das elfte Internationale Figurentheaterfestival des Puppentheaters Magdeburg ist eröffnet. „La Notte“ war ein großes Wunderland.

Von Grit Warnat 27.06.2016, 01:01

Magdeburg l Als Stammgast der traditionellen „La Notte“, des großen Auftakts zum Festival, ist man äußerst verwöhnt. Denn immer wieder haben sich die Macher um Frank Bernhardt als künstlerischen Leiter Bezauberndes einfallen lassen. Da wird es nicht einfacher, Überraschendes, Neues, gar Beglückendes zu bieten. Und doch ist es einmal mehr gelungen, ein Gelände mit Puppen, Figuren, Objekten so zu beleben, dass sich der Gast getreu dem Festival-Motto Transformation tatsächlich für einige Stunden wie auf einer Insel fern dieser alles andere als sorgenfreien Welt befand.

Das Theater und seine Werkstätten hatten das Außengelände mit Treppen, Brücken, Hinterhöfen derart sinnlich verwandelt, dass auch der Puppentheater- gänger so seine Orientierungs- schwierigkeiten hatte. Verschiedene Erlebnisbereiche waren geschaffen worden, Oasen für die 120 Akteure aus ganz Europa und für das 1000-köpfige Publikum.

Wer wandelte, konnte entdecken. Überall Bühnen und Spiel. Das spanische Cal y Cantro Teatro erzählte eine Geschichte aus der Sicht eines Hundewelpen in einer Hütte aus bunt bemaltem Wellblech und Holz. Der Italiener Dario Marodin futterte Luftballons und war Leichenbestatter unterm schattigen Baum. Das Theater Mikropodium war mit seiner kleinen Wanderbühne mal hier, mal dort anzutreffen. Der ungarische Künstler ließ Fische durchs Wasser springen und eine Ballerina im Rüschenkleidchen auf den Händen der Zuschauer tanzen.

Eines der Lieblingsfotomotive der Gäste war das poetische Zeltlager der französischen Compagnie Creature mit seinen mystischen Kreaturen. Da mixte der Küchenjunge der Leidenschaft seine Getränke, damit die Menschen sich doch bitte mögen. Da stand die Fee der Kindheit in einem verspielten Kinderzimmer, über dem der Mond baumelte, und erweckte einstiges Lieblingsspielzeug zum Leben. Und während die Besucher diese eindringlichen Botschaften und die Poesie der Bilder aufsogen, fiel wenige Meter weiter ein gutgenährtes voluminöses Huhn auf den Boden. Der Schlachter mit Hackebeil und blutverschmierter Schürze lief durch die Menge. Makaberer Spaß des Figurenkombinates aus Stuttgart.

Und wer der stehenden Hitze im Puppentheater trotzte, und das waren viele, viele Gäste, wurde auf den Bühnen des Hauses und in der Villa P. mit sehr verschiedenartigen Inszenierungen belohnt. Da gab es zum Beispiel den Auftritt des französischen Teatro Golondrino, dessen Spieler von den Liebesgefühlen einer Ameise mit ihrem Hut und den herrlich knallroten Füßen zu einem Falter-Mädchen erzählte. Das Stück kommt ohne Worte aus, es setzt auf Geräusche und die liebevoll gebauten, nur handtellergroßen Marionetten. Zu Herzen gehende Kunst.

Was Objekttheater zu leisten vermag, zeigte die belgische Compagnie Gare Centrale in einem bittersüßen Kammerspiel um ein Ehepaar, das bis auf das Hemd alles verloren hat – sogar der Whisky ist alle –, übers Meer tuckert, Land entdeckt und ans Ausbeuten denkt. Das Stück ist persönlich, politisch, tragisch, komisch.

Als es zu später Stunde dunkel wurde, glich das Puppentheater-Anwesen einer großen Lichtinstallation, bunt und zauberhaft. Grau blieben an diesem Tag nur die immer wieder umherschleichenden Ratten, für die Stuttgarter Studenten der Hochschule für Darstellende Kunst eins geworden waren mit Kostüm und Maske.

All diese Marionetten, Objekte, Straßenkünstler stehen für die weite Welt des Genres. „La Notte“ machte hungrig darauf, diese Welt zu entdecken. Bis Freitag ist Gelegenheit dazu.