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Festspiel Der Sprache kann geholfen werden

In Bad Lauchstädt wurde beim Festspiel die deutsche Sprache gefeiert.

Von Joachim Lange 15.09.2019, 23:01

Bad Lauchstädt l „Dem Manne kann geholfen werden“ - das ist einer der berühmten letzten Sätze. So enden Schillers „Räuber“. Der Sprache kann geholfen werden, das ist das Anliegen, dem sich Edda Moser verschrieben hat. Seit 2007 mit ihrem Festspiel der Deutschen Sprache in Bad Lauchstädt. Bei anderer Gelegenheit würde man sich hinreißen lassen, in dem Zusammenhang von einer Win-Win-Situation zu sprechen und den Gewinn meinen, den Edda Moser, ihr Anliegen, also die deutsche Sprache, Bad Lauchstädt und das Land Sachsen-Anhalt, aus der alljährlichen September-Einladung in Goethes eigenes Theater zieht. Aber die Anglizismen sind an diesem Abend nicht erwünscht. Hier gilt’s tatsächlich zuerst der deutschen Sprache.

Prominente Schauspieler folgen dem Ruf der berühmten Kammersängerin, die nicht nur als Königin der Nacht einst den Maßstab der Sangeskunst ziemlich hoch zu legen wusste, und lesen Text der Klassiker. Längst hat sich zum zelebrierten Klassikertext das gelehrte und politische Gespräch gesellt. Längst ist Musik hinzugekommen. Diesmal ist es Edda Mosers aktive Kollegin Anne Schwanewilms mit einem Liedprogramm. Und eine eigens produzierte „Zauberflöte“, die aus der Masse ihrer Art herausragt, weil sich kein Geringerer als Goethe höchstselbst an einer Verbesserung versuchte. Das von heute aus zu hinterfragen wird zum Schmuck und zur gewichtigen zusätzlichen Rechtfertigung eines Festspiels. Diese ganz eigene „Zauberflöte“ bleibt dem außergewöhnlichen Anlass vorbehalten, wird nicht herumreisen und erst im nächsten Jahr wieder das Programm bereichern.

Der Kern des Festspiels freilich bleibt die Lesung. Und die ist zu einer der wichtigsten, regelmäßig der Kultur verpflichteten Veranstaltungen des Landes geworden. Ein Termin, nicht ohne den Ministerpräsidenten als Schirmherr, Eröffnungsredner und prominenter Gesprächsteilnehmer. Was der Republik als Ganzer immer noch die Eröffnung der Bayreuther Festspiele ist, ist Sachsen-Anhalt das Festspiel der deutschen Sprache geworden. Mit einer dem Land gut anstehenden Bescheidenheit zum Glanz, der aus der Geschichte kommt. In einem kleinen, bescheidenen Theater auf dem Lande. Eines, das jedoch von Goethe persönlich vollendet und jahrelang geleitet wurde. Der Tradition bewusst, doch ohne das Gescheppere von Waffen. Hier klirren höchstens (wie bei Hölderlin) die Fahnen der Worte, wenn die Texte ins Offene treten.

Ein Abend wie der jüngste, mit ausgewählter Lyrik und Balladen sowie Hugo von Hofmannsthals lyrischem Drama in Versen „Der Tor und der Tod“, ist heutzutage wie eine Kur für Gehör und Hirn. Die haben Mühe, jeder verbalen Neuschöpfung oder Eingemeindung zu folgen, die die neue Art miteinander zu reden (oder so zu tun) mit sich bringt.

Angetreten sind in diesem Jahr Bernt Hahn (als Stammgast bereits zum sechsten Mal), Sibylle Canonica und Cornelia Froboess, der Dresdner Theater­kahn-Kapitän Friedrich Wilhelm Junge, Thomas Stecher und Leopold Altenburg. Der erste Teil ist gleichsam ein Liederabend der Worte. Anna Siegmund-Schultze (Regie) und Ilsedore Reinsberg (Dramaturgie und Stückfassung) haben einen Streifzug durch Leben, Tod, Natur – und was sich damit zusammen denken und dichten lässt – gefügt. Das verlangt konzentriertes Zuhören, entfaltet aber dank der vorzüglichen Interpreten seine ganz eigene Wirkung. Mit eher Unbekanntem, etwas abseits des zu Schulzeiten erlernten Weges. Man hört die Goetheverehrung allemal durch, selbst wenn sie auf den Pfaden der Romantik wandeln. Hofmannsthal, Heine, Dehmel, Rilke.

Und dann kommt die Canonica mit „Eine Fabel“ von Matthias Claudius an die Reihe, die aufhorchen lässt. Da darf nämlich auf einmal im Tierreich jeder ohne Kontrolle sagen, was er will. Es gibt auch einen richtigen Hit. Die Froboess lässt es sich nicht nehmen, Fontanes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ mit Junge in den Einwürfen der Titelrolle als halb gesungenes Minidramolett beizusteuern.

Nach der Pause dann die Begegnung des Todeskandidaten Claudio (Altenburg) mit dem Tod (Junge), seiner Mutter (Froboess), der Geliebten (Canonica) und einem Jugendfreund (Stecher). Eine Art „Jedermann“ im Kammerspielformat. Genau das Rechte für den Weg rüber in den hinreißend herausgeputzten Prachtsaal zum Empfang und den Gesprächen danach.