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Figurentheater  Narren auf dem Wasser

La Notte, die Eröffnung des Internationalen Figurentheaterfestivals, zog in Magdeburg 3500 Besucher an den Salbker See.

Von Grit Warnat 25.06.2018, 01:01

Magdeburg l Wenn an den Tagen rund um die Mittsommernacht das Licht am längsten verweilt, wird vor allem hoch im Norden die Kraft der Sonne gefeiert. Das Puppentheater hatte zu später Stunde am Sonnabend zu solch einem Sommersonnenwendefest geladen und damit sein 12. Figurentheaterfestival eröffnet. Nur: Die Sonne fehlte schon den ganzen Tag, und das Thermometer zeigte nicht mal 15 Grad.

Kein Problem, könnte man meinen, schließlich wehrten sich die gut gelaunten Gäste tapfer und waren ausgerüstet mit dicken Schuhen, Mützen, gut gefütterten Jacken und wärmenden Decken. Und während der Abend wie gewohnt voller Poesie und Zauber begann, verwehte das miese Wetter dann doch noch die Schlussbilder des dreigeteilten Abends.

Zur späten Stunde, abends halb zehn, ging es los. Das Theater wollte die Nacht. Als die deutschen Fußballer noch gegen die Schweden kickten, und die Schlange am Eingang durch den Jubel einiger Handy-Livestream-Gucker das deutsche Siegtor mitbekam, spielte am See schon das Philharmonische Kammerorchester Wernigerode und stimmte mit seinem Sommernachtstraum-Konzert die Picknickenden auf das kommende nächtliche Spektakel ein. Smetanas „Moldau“, Griegs „In der Halle des Bergkönigs“, Soundtracks von John Barry wie „Jenseits von Afrika“ legten sich über die Wiese, während Elfenwesen leichtfüßig und zart bekleidet durch die Menge tänzelten.

Geflochtene Lichtbälle, Kerzen in Einweggläsern, angestrahlte Bäume, faszinierende Fabelwesen und mystische Kreaturen auf Stelzen – La Notte ist immer auch ein berauschendes Fantasialand.

Nach Bespielungen in vergangenen Jahren unter anderem des Wissenschaftshafens, des Klosterbergegartens, des Schiffshebewerkes, zuletzt des eigenen Hauses, wurde nun das Wasser des Salbker Sees zur Bühne. Wer tagsüber den eher unauffälligen Ort kennt, kann nur erstaunt gewesen sein, wie mit der Kraft des Theaters, wie mit Poesie und Licht ein ganz besonderer Zauber möglich ist.

Festivalchef Frank Bernhardt hatte das französische Ensemble Cie Ilotopie geladen, eine wirklich beste Wahl, weil die Akteure ein wahres Füllhorn an Ideen und Verzauberungen mitbrachten. Ein schwimmendes Spektakel war mit deren „Narren auf dem Wasser“ angekündigt, und das war es auch! Straßenlampen ploppten mitten im Wasser hoch, Spaziergänger unterhielten sich, ein Fahrradfahrer strampelte, ein hupendes Auto fuhr wie von Geisterhand gezogen. Der Müllmann schob seine gelbe Tonne.

Und dann kam wie in einer Metamorphose neues Leben hinzu. Akteure ruderten das übergroße Bett, trieben das riesige Laufrad mit der obenauf thronenden, ballgekleideten Madame vorwärts und steuerten Boote wie Feuerschalen. Der Ideenreichtum der Franzosen für ihre absurd-schönen Fortbewegungsmittel kannte kaum Grenzen. Und so bekamen das Publikum staunen lassende Fantasie- und Traumlandschaften immer stärker die Oberhand über eine urbane Welt. Diese außergewöhnliche Bühne war mal rot, dann gelb, grün und weiß und auch alles miteinander. Jede Menge Pyrotechnik drehte sich oder stieg in den nächtlichen Himmel. Der See in allen farblichen Facetten. Eine große, wärmende Inszenierung.

Farbenfroh auch der dritte Teil des Abends. Die Lichtpiraten, ein Berliner Künstlerkollektiv, nutzte vor der Liege-Wiese eine Wasserwand als Projektionsfläche. Ganz fein zerstäubte Wassertropfen bildeten einen Vorhang für die live kreierte Licht- und Klang-Kunst. Die Bässe wummerten, starke Töne, sehr passend zu den Bildern, die aber vor aller Augen immer mehr zerfielen. Der Wind war zu stark und zerstob die Tröpfchen, die wie eine Leinwand für diese Lichtmalerei gebraucht werden. Am Pult der Künstler, wo das Komplettbild in Kleinformat auf eine Wand projiziert wurde, sah man, was dem Besucher entging.

Da wurde das Wetter dann doch zum Spielverderber.