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Fußball-Musical Männer, die auf den Ball starren

In diesem Stück fallen keine Tore. Der Platz für die Spieler ist nicht der Rasen, sondern der Rang: Im Magdeburger Fußball-Musical.

Von Manuela Bock 09.12.2018, 00:01

Magdeburg l „Theater in der Grünen Zitadelle“ in Magdeburg verknüpft jetzt Fußball mit Musical. Eine ungewöhnliche Verbindung. „Männer“, das Stück von Franz Wittenbrink, kommt ohne gesprochene Worte aus. Was gesagt werden muss, wird gesungen – von einem Ensemble, das durch die Bank nichts mit Fußball am Hut hat.

Der 1. FC Magdeburg hat bei der Vorbreitung auf das Stück Hinweise gegeben, ist durch Dekorationen und Videoeinspielungen präsent. Vor allem den „Lokalkolorit“ wolle man auf die Bühne bringen, sagt Regisseur Wolfang-David Sebastian, das war der Anstoß für die Inszenierung. Dafür wurde das Originalstück in Magdeburg mit blau-weißen Anspielungen gespickt.

Der 1. FC Magdeburg ist im Theater allgegenwärtig. „Das Stück hat sich fast aufgedrängt“, so Sebastian. In der Region grassiert seit dem Aufstieg des Clubs in die zweite Liga Fußball-Fieber. Entkommen können selbst jene nicht, die wenig Interesse haben, am Ball zu bleiben.

Sowieso sei Fußball aus unserer Kultur nicht wegzudenken, sagt der Regisseur. „Jetzt verknüpfen wir die Bühnenkunst mit dem Thema. Damit haben die Herren endlich keine Ausrede, ihre Frauen nicht ins Theater zu begleiten!“

Sechs Männer, kein Ball, kaum Ahnung von Kicken und doch soll dieses Musical eine runde Sache sein: Denn abseits vom Rasen geht es um Schmerzen, Wünsche und Träume.

Wer sind diese Männer?

Glatter Typ mit böser Erinnerung
Enrico Scheffler kann sich mit dem Stück therapieren. Als glatter Geschäftsmann setzt sich Enrico Scheffler auf die Bühne. Mit seinen gespielten Ansichten, wie man Frauen zu benutzen hat, bekommt er vom Publikum  schnell die gedanklich rote Karte. Aber Platzverweise stören diesen Typen nicht. Privat besteht er nicht zwingend auf einen Stadionplatz. „Ich bin eher so der EM- und WM-Gucker“, sagt er. Und Enrico Scheffler arbeitet ein Fußball-Ereignis aus der Kindheit im Stück auf. „Ich habe meinem Vater den Schneidezahn herausgeschossen“, erinnert er sich. Ein Volltreffer im besseren Sinn ist für ihn das Fußball-Stück: „Es vereint viele tolle Songs.“

Jens Koch schweigt
Ein Mann, kein Wort. Jens Koch muss keinen Text lernen: Er ist die schweigende Mehrheit. Auf die Frage, ob er etwas mit Fußball zu tun hat, schüttelt der Mann nur seinen Kopf. Er nimmt es auch in der Halbzeit zwischen den Proben ganz genau. Für ihn erklärt der Regisseur: „Die Masse ist wichtig, sie steht wie ein Mann für alle Anderen.“

Einfacher Fan ohne Regelwerk
Ernst Richard Dobbert hat Glück: Sein Mitbewohner kennt sich gut aus mit Fußball, gibt ihm Ratschläge fürs Stück und leiht sogar den FCM-Hut. Der Schauspieler selbst hat nämlich „nicht so wirklich etwas damit am Hut“. Allerdings, so erzählt er, hätte sich das mit den Proben für „Männer“ ein bisschen verändert. Als prolliger Typ, ein bisschen asozial angehaucht, ist er der Mann in der Runde,so Dobbert, „den man nicht so gern zum Essen mit nach Hause bringt.“ Auf der Bühne darf Dobbert die treibenden Lieder singen, wie „Sexmachine“ von James Brown. Der Magdeburger kennt zwar kaum eine Fußballregel, findet aber, dass man „hier hin und wieder ins Stadion gehen“ solle. „Allein wegen der Atmosphäre.“

Netter Normalo ohne Ballgefühl
Eine fußballverrückte Stadt ist für Wolfgang-David Sebastian nichts Neues. „Ich bin in Bremen mit Fußball groß geworden“, erinnert er sich. Der Regisseur, der im Musical den unsicheren, leicht alternativen Typen spielt, könne sich leicht in Fans einfühlen, die sich auf den Rängen im Stadion versammeln, meint er und begründet das mit dem Grundgefühl, „sich für etwas zu begeistern“. Bei ihm, dem Bühnenmenschen, passiert das eher bei Inszenierungen. Dass er damit aus der Klischee-Rolle falle, sei ihm bewusst, so Sebastian. „Wenn man sich als Mann nicht für Fußball interessiert, wird man ja schon fast geächtet.“ Er ist froh, meint der Mime, dass er „nicht komplett gegen seine innere Einstellung spielen“ müsse.
Als Gewinn sieht Wolfgang-David Sebastian es an, „wenn die Leute aus der Inszenierung kämen und einen schönen Abend hatten“. Denn: Nach dem Stück ist vor dem Stück. „Wer ins Theater gefunden hat, obwohl er eigentlich lieber im Fußballstadion sitzt, kommt vielleicht wieder.“ Darum sei es ihm als Regisseur auch wichtig gewesen, die Realität mitspielen zu lassen. Nicht nur in Form des 1. FCM:
„Ich finde es wichtig, dass keiner der Männer im Stück bekehrt wird. Sie gehen so, wie sie gekommen sind. Jeder zurück zu einer Frau. Aber in 90 Minuten ist man in einer anderen Welt.“

Arno Udo Pfeiffer bibbert
Arno Udo Pfeiffer spielt den einsamen Mann, der noch bei der Mutter lebt – und liebt diese Rolle, wie er sagt. Darum nimmt der Schauspielprofi es auch sportlich, dass sich dieses Mal auf der Bühne alles ums runde Leder dreht. Im wahren Leben ist Sport nicht sein Begleiter. „Ich mag aber die Identitätsstiftung, die beim FCM mitschwingt“, so Pfeiffer.