1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Die Stimme aus dem Jenseits

Händelfestspiele Die Stimme aus dem Jenseits

Peter Konwitschny inszeniert zum Auftakt der Händelfestspiele in Halle Georg Friedrich Händels „Julius Cäsar in Ägypten“.

Von Joachim Lange 02.06.2019, 23:01

Halle l Er kam, sah und siegte. Von so einem PR-Spruch können die Herrscher aller Couleur heute nur träumen. Gajus Julius Cäsar hatte ihn. Und wenn man sich das Aufführungsverzeichnis anschaut, dann gilt das auch für Händels Opernversion von Cäsars Ägypten-Ausflug. Bis dorthin verfolgt er den abtrünnigen Rivalen Pompejus – doch als ihm Cleopatras Bruder Ptolemäus dessen Kopf als Willkommensgeschenk präsentiert, geht das dem Römer zu weit.

Cäsars Ankunft in Ägypten ist diesmal mit einer Rückkehr von Peter Konwitschny nach Halle verbunden. Der heute als Altmeister seiner Zunft allseits respektierte Regisseur hatte dort mit Händel Furore gemacht! Mit „Floridante“ (1984), „Rinaldo“ (1987) und „Tamerlan“ (1990). Schon da war unter anderem Helmut Brade der Ausstatter, der jetzt vor einem Rundhorizont die Pyramiden und die Palmen auf die Bühne zaubert. Das reicht völlig, um die Ägypten-Assoziationen wachzurufen, die in jedem schlummern. Gezeigt werden die Mächtigen dieser Welt, die damals wie heute bereit sind, über Leichen zu gehen, wenn es in ihr Kalkül passt; oder die ehrgeizige Cleopatra, die auch ein Liebesverhältnis eingeht, wenn es ihrem Kampf um die Macht nützt.

Konwitschnys Kunst besteht nun darin, all das ohne die große Video- oder updating-Show, mit klassischen Theatermitteln so weit heranzuholen, dass man diese Oper ganz neu zu sehen meint. Klarer und echter jedenfalls als wenn es nur der Vorwand für eine Parade der Stars der Barockszene wäre. Er lässt sogar gegen den Trend deutsch singen. Was verblüffend gut funktioniert, selbst wenn man eigentlich die Originalsprache bevorzugt. Wohl auch, weil die Übersetzung von Werner Hintze musikalisch maßgeschneidert ist. Sie wirkt manchmal witzig, ist aber nie peinlich.

Konwitschny macht aus dem enthaupteten Pompejus eine Stimme aus dem Jenseits und legt ihm Sextus’ Arien in den Mund. Sie werden zu Aufforderungen des Vaters an den Sohn, den Mord zu rächen.

Pompejus’ Kopf taucht dafür an den unterschiedlichsten Stellen auf. Mal im Sand, mal auf seinem eigenen Grabmal, mal im Harem. Bei Sohnemann Sextus nimmt der Racheplan Form an. Der Junge fuchtelt zwar auch gerne mit einem Spielzeugschwert herum und mimt den Erwachsenen, eigentlich widmet er sich lieber seinem Spielzeugauto. Wenn er ein richtiges Schwert in die Hand nimmt, dann fragt man sich, wo will das Schwert mit dem Knaben hin. Und doch kriegt er es hin, dass Ptolemäus am Ende zu Boden geht und seinen Kopf verliert, den Cleopatra dann an einer Palme aufhängt. Das sind zwar Bilder der Grausamkeit, aber keine grausamen Bilder.

So wie das Staatsdinner zu dem Ptolemäus lädt. Weil Cäsar sicherheitshalber vorkosten lässt, gibt es. Kollateralschäden: Die Vorkoster auf beiden Seiten gehen theatralisch zu Boden und aus Gründen der diplomatischen Optik muss auch noch der unschuldige Koch der Ägypter dran glauben. Die beiden Herren aber besaufen sich trotzdem gemeinsam …. C‘est la vie. Grandios die Idee nach der Abreise Cäsars, Cornelia und Cleopatra ein hinreißend trauriges Duett singen zu lassen. Bei Konwitschny haben damit die beiden jetzt ziemlich einsamen Frauen das letzte Wort.

Der diesjährige Pultgast Michael Hofstetter inspiriert das Händelfestspielorchester zu einem präzisen Wechsel zwischen zupackender Theatralik und reflektierter Besinnlichkeit. Violinistin und Hornistin kommen für ihre Soli auf die Bühne. Vokal und darstellerisch ist dieser Cäsar nicht Starparade, sondern Ensembleleistung. Die junge Vanessa Waldhart und Svetlana Slyvia überzeugen als Cleopatra und Cornelia.

Als Bariton ringt Grga Peroš um die Counter-Rolle Cäsar, der kurzfristig eingesprungene Tomasz Wija überzeugt als sein Gegenspieler Ptolemäus. Die Partie des Sextus steuert als Kopf des Pompejus der einzige Counter Jake Arditti bei, Benjamin Schrade ist ein hinreißend spielender Knabe Sextus.Viel Beifall nach einem langen Abend.

Nächste Vorstellungen: 6. und 10. Juni. Die Händelfestspiele dauern bis 16. Juni, mehr unter: www.barock-konzerte.de