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Halberstdädter Domschatz Die Pracht der Handschriften

Ein Teil des Domschatzes in Halberstadt ist dauerhaft ausgestellt - nur fehlen die Handschriften. Sie können bis zum 8. November bewundert werden.

Von Grit Warnat 08.09.2015, 06:55

Halberstadt l Großflächige romanische Teppiche, die einst den Kirchenraum schmückten, zieren Wände im Domschatz. Auch eine original Altardecke lässt die schmuckhafte Ausgestaltung einstiger Zeit erahnen. In Vitrinen zwischen den wertvollen Textilien zwei aufgeschlagene Bücher. Ein Sakramentar ist darunter, ein Vorgänger des Messbuches, das aus dem 10. Jahrhundert stammt und nach der Weihe der Domkrypta angefertigt worden war. „Es kann einst auf dieser Altardecke gelegen haben. Jetzt findet beides wieder in einem Raum zusammen“, sagt Thomas Labusiak, Kustos und Geschäftsführender Vorstand der Domschätze Halberstadt und Quedlinburg. Zumindest auf Zeit trifft mittelalterliche Buchkunst auf ebenso prachtvolle Textilkunst und Gewänder.

Das Sakramentar mit der Kreuzigungsszene und einem knieenden Priester ist das älteste ausgestellte liturgische Buch, vielleicht ist es das älteste Bild eines Klerikers aus Halberstadt überhaupt. Das Stephanusfest wird es genannt, Stephanus ist Namenspatron der Kirche. Daneben ein Lektionar für die Messfeier. Wohl 50 Schafe oder Ziegen werden ihre Haut für diese Handschrift gegeben haben.

Die wertvollen Arbeiten voller Verzierungen und Schriftkunst geben Einblick in den einstigen Alltag am Dom und der Stadtkirchen. Sie erzählen von Lithurgie, Wissensvermittlung und kultureller Offenheit der Stadt. „Kult und Wissen“ ist die Sonderausstellung mit 20 Handschriften überschrieben, die erstmals Bestände aus dem Domschatz und dem Historischen Archiv der Stadt Halberstadt zusammenführt.

Zu den Exponaten gehört ein Lexikon für Kleriker. „Es stand nicht in der Bibliothek, sondern im Dom“, sagt Patrizia Carmassi, Handschriftenexpertin an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Halberstädter Bestand an Handschriften. Das Besondere des Lexikons ist eine 116 Zentimeter lange, dicke Kette. Carmassi: „Das Buch war im Domchor angekettet.“

Ins Licht der Öffentlichkeit rückt ein frühes Exemplar der „Glossa ordinaria“, abgeschrieben und illuminiert in England in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die kostbare Handschrift, für die mit Bild, Text und Layout gearbeitet wurde, hat eine wahre Odyssee hinter sich: Ursprünglich zur Halberstädter Kirche Unser Lieben Frauen gehörend, gelangte sie im 19. Jahrhundert in die Bibliothek des Domgymnasiums und 1945 als Kriegsbeute in die Sowjetunion. Über Georgien kam der Codex 1997 an die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Dessen Leiter der Handschriftensammlung, Eef Overgaauw, erzählt von der schwierigen Provenienz. Erst vor wenigen Tagen konnten drei wertvolle Handschriften in das Halberstädter Archiv zurückkehren – , laut Overgaauw zwar verstaubt, aber in einem guten Zustand. Die „Glossa ordinaria“ wird im dämmrigen Licht der Ausstellung erstmals präsentiert.

Die Schriftkunst ist äußerst empfindlich. Die Pergament-Schätze lagern in Depots, geschützt vor Licht und perfekt klimatisiert. Nur selten werden sie aus dem Verborgenen geholt. 1000 Jahre wurden sie geschätzt und gehütet, das solle so bleiben, sagt Labusiak.

2013 hatte der Domschatz schon einmal zwölf seiner kostbaren Handschriften in einer Ausstellung präsentiert. Bis zum 8. November läuft Teil 2 der Handschriften-Schau. So schnell werde man die Depots nicht wieder öffnen. Thomas Labusiak: „Wer die Handschriften jetzt nicht sieht, der muss lange warten.“