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Henze-Vertonung des Lorca-Gedichtes "Der König von Harlem" hatte Premiere am Magdeburger Schauspielhaus Harlem und die Inspiration von zwei großen Künstlern

Von Rolf-Dietmar Schmidt 15.04.2013, 01:23

Magdeburg l Kammeroper oder literarisches Musiktheater - Hans Werner Henze lässt sich auch mit "Der König von Harlem" (El Rey de Harlem) nach einem Gedicht des berühmten spanischen Surrealisten Federico Garcia Lorca in keine Schablone pressen. Musik und Dichtkunst gehen eine fast geheimnisvolle Symbiose ein, die am Freitagabend im Magdeburger Schauspielhaus in einen grandiosen Erfolg mündete.

Das war wahrlich keine leichte Aufgabe für Johannes Bergmann. Lorca ist literarisch ein surreales Schwergewicht, dessen sprachliche Bilder umzusetzen, außerordentlich viel Feingefühl und kritische Distanz verlangt. Bergmann hat sich schon früher mit Lorca auseinandergesetzt. Vielleicht halfen diese Erfahrungen, so punktgenau die literarischen und musikalischen Intentionen der Künstler wiederzugeben. Großen Anteil hat daran ebenso der musikalische Leiter Hermann Dukek. Unter seinem Dirigat war das Orchester nie vordergründig und doch von beeindruckender Präsenz. Die Interpretation der Musik von Hans Werner Henze, Silvestre Revueltas, George Crumb und anderen nahm intensiv den literarischen Impuls auf und führte ihn in Varianten der Zwölftonmusik, aber durchaus auch in klassisch-konzertanten Elementen fort.

Kammersängerin Ute Bachmaier und Lucia Cervoni zeigten sich nicht nur gesanglich von ihrer besten Seite, sondern bewiesen auch schauspielerische Qualitäten. Sie hatten mit Gerda Haase und Heide Kalisch zwei Schauspiel-Kolleginnen an ihrer Seite, die sofort die Herzen der Zuschauer eroberten.

Federico Garcia Lorca steckte 1929 trotz seines literarischen Erfolgs in einer tiefen seelischen Krise. Der homosexuelle Dichter war mit Dali befreundet, der ihn aber verspottete. Es folgt eine Reise nach New York, in die Metropole der Neuen Welt.

Lorca fühlt sich von dieser Stadt angezogen und abgestoßen, und sezierte geradezu mit literarischen Mitteln die gesellschaftliche Verwahrlosung. Es entstand die Gedichtsammlung "Der König von Harlem". Lorca ist ein politischer Dichter, der nichts verklärt, mit beinahe schmerzhaftem Eifer Inneres nach außen kehrt und mit seinen surrealen Wortspielen einen Spannungsbogen aufbaut, der unter die Haut geht. Dabei ignoriert er durchaus nicht die lyrische Form, gibt ihr aber völlig neue Inhalte.

Das ist eine der inneren Klammern zu Hans Werner Henze. Er war gerade zehn Jahre alt, als Federico Garcia Lorca von rechten Kräften des spanischen Bürgerkriegs 1936 ermordet wurde.

Auch Henze reist in den 1960er Jahren nach New York und empfindet hier ganz ähnlich wie Lorca die Stadt als Brennpunkt gesellschaftlicher Verwerfungen.

Henze, ein Vertreter der Zwölftontechnik in der Komposition, ohne ein Anhänger der Atonalität zu sein, hat nicht nur in der Musik stets polarisiert. Er war ein zutiefst politischer Mensch, trat während seiner Lebenszeit in Italien dort der Kommunistischen Partei bei und dirigierte auf Kuba gegen alle Widerstände die Uraufführung seiner 6. Sinfonie.

Zufall oder nicht, hier treffen sich die Lebensbänder Federico Garcia Lorcas und Hans Werner Henzes erneut. Anfang der 1930er Jahre leitete Garcia Lorca ein reisendes Studententheater, das auf Kuba den Gitanos, der einfachen Landbevölkerung, die Theaterkunst nahebrachte. Sowohl Lorca wie Henze werden auch heute noch in Kuba verehrt.

Die Inszenierung "Der König von Harlem" ist künstlerisch wertvolles Theater, wie man es sich hin und wieder leisten muss.