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Kabarett Die Ungezogenen

Die Hengstmanns aus Magdeburg widmen sich in ihrem neuen Programm „Vaterschaftsklagen“ der kleinsten Zelle der Gesellschaft.

Von Klaus-Peter Voigt 12.03.2017, 23:01

Magdeburg l Er ist ahnungslos, was ihn erwartet. Fröhlich mit dem Publikum plaudernd betritt Frank Hengstmann die Bühne. „Männer sind auch Menschen“, stellt er mit Blick auf den Genderwahn fest, entwickelt seine Meinung von der Rolle der Geschlechter. Eben noch im Rampenlicht wird ihm von den Söhnen Sebastian und Tobias in bitterböser Manier die Show gestohlen, der eigene Erzeuger „Gerontoman“ mit demonstrativer Nichtachtung gestraft und bloßgestellt. Schwarzer Humor vom Feinsten.

Es könne doch der Alte nicht mehr auf das Publikum loslassen werden, stellen beide übereinstimmend fest. Man solle ihn doch lieber rauswerfen, legt ihm mit harschen Worten die Demission von den Brettern, die die Welt bedeuten, nahe. Bis der dann – nach einer hervorragend gespielten Hilf- und Sprachlosigkeit – in einem melancholischen Lied ankündigt: „Ich sage alles Mama!“

Die Drohung zeigt Wirkung, Sebastian und Tobias merken nun, dass sie auch nicht mehr die Jüngsten, die eigenen Kinder fast erwachsen sind. Der Sinneswandel ist vollzogen. So wie beim Auftakt bleibt das Thema Familie im gesamten Programm, bei dem Bernd Kurt Goetz Regie führte, präsent. Tobias plädiert in einem Solo für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, fordert mehr Respekt für solche Entscheidungen. Dem Plädoyer hätte, wie einige andere Szenen, etwas Straffung gutgetan.

Die drei Kabarettisten schaffen es trotzdem mühelos, die Aufmerksamkeit des Publikums permanent auf sich zu lenken. Keine Durststrecken, Langeweile kommt nicht einen Moment auf. Die eigenen Texte bringen den Inhalt auf den Punkt, wirken wie aus einem Guss. In den Dialogen springt der Funke ständig über, die Gespräche wechseln fast spielerisch leicht vom Familienthema zur großen Politik. Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz wird zum Thema. Wieso strebt der Sozialdemokrat jetzt in Deutschland neue Ämter an? Die EU gelte doch gemeinhin als Resterampe für abgehalfterte Politiker. „Von dort kommen doch keine Hoffnungsträger“, lautet das lakonische Fazit.

Als Bundeswehroberst brilliert Frank Hengstmann. Seine Kommandos erschallen schneidig. Schließlich verpflichtet der Offizier den Rentner Franz Branntwein (Tobias), mit einem Sprengstoffgürtel durch die Stadt zu ziehen, um der Bevölkerung die Terrorismusgefahr auf öffentlichen Plätzen ständig vor Augen zu halten. Als intellektueller Student Malte belehrt Sebastian dann seinen Vater über die Gefahren aus dem Internet. Der hat gerade eine E-Mail aus Nigeria erhalten, die ihm 20 Millionen Euro aus einer Erbschaft verspricht.

Eine Aufklärung über Bot-Netze, die automatisiert Nachrichten beispielsweise über Twitter verbreiten, scheint für den Senior kaum nachvollziehbar zu sein, liefert Anlass für Kalauer am laufenden Band.

Ein furioser Auftritt von Tobias lässt Donald Trump mit überlanger Krawatte, roter Hose, Sternenjacke und einem „toten Frettchen auf dem Kopf“ in der Stadt erscheinen. Der arbeitslose Manni Fest (Frank) mit Magdeburger Slang und Malte haben kaum eine Chance, sich gegen ihn durchzusetzen. Gefühlt kommen alle Klischees zum US-Präsidenten zur Sprache. Die Stärke der Hengstmänner sind solche fast slapstickartigen Szenen, die vom vollen Einsatz leben und die politisch-satirische Ausrichtung des Kabaretts nicht aus den Augen verlieren. Die musikalischen Einlagen von Vater und Söhnen setzen zusätzliche Glanzpunkte.