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Kabarett Von der gestohlenen Kanzlerschaft

Für das Magdeburger Kabarett "... nach Hengtsmanns" gab es viel Beifall. Welche besondere Neuerung das Programm ergänzt.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 20.09.2019, 23:01

Magdeburg | Frauen an die Macht! Wer wollte da widersprechen? Im Magdeburger Kabarett „... nach Hengstmanns“ jedenfalls niemand. Folglich heißt das neue Programm „Sie will (was sie) MACHT“, und nach elf Jahren Kleinkunst in der Spielstätte im Breiten Weg steht erstmals in einem Hengstmann-Programm eine Frau mit auf der Bühne.

Doch das ist nicht die einzige programmatische Neuerung, die mit diesem Frauen-Power-Stück Einzug gehalten hat. Da steht eine Couch als zentrales Requisit auf der Bühne, ein dem Publikum zugewandter Fernseher spielt eine wichtige Rolle, andauernd tauchen seltsame Typen auf, die allesamt zu einer Handlung gehören, die eher an ein kabarettistisches Theaterstück, als an theatralisches Kabarett erinnert.

Das ist eine neue Form, die aber beim Publikum ankommt, das sich über weite Teile köstlich amüsiert. Neu ist auch, dass mit Marie Matthäus und Heiko Herfurth zwei Akteure, die das Stammpublikum vor allem durch die Sommertheater im Magdeburger Technikmuseum kennt, das Bühnengeschehen zusammen mit Prinzipal Frank Hengstmann über die Bretter der Welt jagen, während die Brüder Tobias und Sebastian Hengstmann diesmal die Regie übernommen haben. Trotzdem spielen die beiden gewichtige Rollen, allerdings nicht körperlich, sondern virtuell.

Da kommt nämlich der Fernseher ins Spiel, denn in regelmäßigen Abständen greifen die realen Akteure zur Fernbedienung, und schon sind die Kabarettbrüder im Wortsinn im Bilde. Damit ist nicht nur ein weiteres Medium in das Programm eingeführt, sondern die Nachrichtensendungen einschließlich der Einspieler und Live-Interviews sind köstliche Persiflagen auf die reale Medienwelt und handwerklich hervorragend gemacht.

Bei all den Neuigkeiten kam die Handlung fast ein wenig zu kurz, was aber der Sache keinen Abbruch tat. Denn dort plätscherte es doch recht seicht durch die Widrigkeiten des Lebens in Form von unzähligen Baustellen in der Landeshauptstadt, Helikoptereltern, Gendersprache und, wie könnte es anders sein, dem Blazer und der Hände-Raute der Kanzlerin. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass dies immer noch Lacher erzielt.

Maria Matthäus spielt die Grundschullehrerin Heike, die mit ihrem Mann Mario, einem Sachgebietsleiter des Ordnungsamtes, die nachbarlichen Bier-Attacken von Frank Hengstmann als Manni ertragen muss. Heiko Herfurth ist der gewichtige Herrscher über die Knöllchen und damit per se schon einmal suspekt. Er ist aber, was schon beim Sommertheater der Hengstmanns zu spüren war, dank seines enormen komödiantischen Talents eine wirkliche Bereicherung des kleinen Ensembles.

Echte Politsatire taucht erst auf, als die Grundschullehrerin beschließt, in die Politik zu gehen. Allerdings kann sie sich dank des Einflusses der Landeszentrale für politische Bildung alias Frank Hengstmann nicht für eine der Parteien entscheiden und gründet selbst eine. Und zwar eine Frauenpartei, denn nach ihrer Logik muss sie ja die Wahlen gewinnen, wenn jede Frau, die in der Gesellschaft prozentual die Mehrheit darstellen, ihr die Stimme gibt. Da wird dann höchst amüsant deutlich, dass Demokratie eigentlich ganz einfach ist.

Wenn nicht, ja, wenn nicht da die Schwiegermutter wäre, die nicht nur gendermäßig alles auf den Kopf stellt, sondern ihrer Schwiegertochter auch noch den Wahlerfolg stiehlt, um selbst Kanzlerin zu werden. Eine bärtige Kanzlerin, denn Heiko Herfurth macht in Frauenkleidern eine im wahrsten Sinn des Wortes beeindruckende Figur.

So endet alles, wie es enden muss: Mit einer Vereidigung im Bundestag, gekonnt filmisch mit Originalbildern gemischt und im Fernsehen übertragen, und der richtigen Entscheidung von Heike, doch lieber wieder als Grundschullehrerin Kinder zu bespaßen. Lehrer werden schließlich dringend gebraucht.

Als dann die Nationalhymne mit stark variiertem Text erklingt, wird es noch einmal richtig staatstragend. Aber anstatt voller nationaler Gefühle sich gerührt zu erheben, spenden die Premierengäste reichlich Beifall. Auch gut.

Weitere Vorstellungen: u.a. am 21.9., 25.9. und 26.9, 19.30 Uhr, 22.9., 17 Uhr.