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Dokumentarfilm Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig

Die Dokumentarfilmerin Claudia Schmid lässt in ihrem Film „Unter aller Augen“ Frauen über Gewalt reden.

Von Grit Warnat 07.03.2017, 00:01

Magdeburg l Yolande war mit 16 zum ersten Mal schwanger. Es war die Zeit, als die Gewalt gegen sie anfing. Im Film redet die junge Frau aus Benin in Westafrika über ihre irrsinnige Angst, die sie hatte vor den Drohungen des Mannes, der Prügel. Und sie spricht über die Säure, die er ihr in den Mund gegossen hat und die sie geistesgegenwärtig nicht schluckte. Sie blickt in die Kamera, ein Auge ist kaputt, das Gesicht, die Schulter, die Brust voller Narben. „Er zerstörte meinen ganzen Körper“, sagt sie.

Es gibt viele schmerzhafte Erinnerungen im Film von Claudia Schmid, die für ihre Dokumentation auch die Demokratische Republik Kongo bereiste, jenes Land, das als einer der gefährlichsten Orte für Frauen gilt. Im Osten wütet ein brutaler Krieg, in dem Frauen systematisch vergewaltigt und verstümmelt werden. Einige von ihnen erzählen vor der Kamera, teils mit Händen vor dem Gesicht, welche Brutalität, welche Gewaltexzesse sie beim Einfall in ihre Dörfer am eigenen Leib erfahren haben.

„Unter aller Augen“ handelt 90 Minuten lang von Frauen, die von ihrem Partner bedroht, geschlagen, vergewaltigt, verätzt oder verstümmelt worden sind und stellvertretend stehen für Opfer von körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt auf der ganzen Welt. Schmid hat mehrere Kulturkreise besucht, um, wie sie sagt, das Geflecht der Gewalt sichtbar zu machen.

„Wie bereits in meinen früheren Filmen war es mir auch diesmal wichtig, so nah wie möglich an den Protagonisten und ihren Gefühlen zu sein – am Schmerz, der Angst, am Aufbäumen, aber auch an der wiedergewonnenen Hoffnung und Freunde“, sagt die mehrfach ausgezeichnete Regisseurin. Für ihre Aufnahmen ist sie zweimal für jeweils acht Wochen in die beiden afrikanischen Länder sowie nach Bangladesch gereist, immer mit kleinstem Equipment – kleine Kamera, Mikro, Einbeinstativ, kleine LED-Lampe, Laptop und Festplatten. „Die ersten Reisen habe ich ganz alleine nur mit Rucksack gemacht, bin mit klapprigen ,Local Busses‘ gereist, habe in einfachsten Unterkünften gewohnt und mir erst vor Ort einen Übersetzer gesucht“, sagt sie.

Schmid hat mehrere starke Frauen (auch wenn immer mal wieder Tränen rollen) für ihren Film gewinnen können, die den Mut und die Kraft haben, vor laufender Kamera zu reden. Dass dieses ehrliche Sprechen über die Qualen bis hin zu Selbstmordgedanken alles andere als selbstverständlich ist, zeigen die Aussagen der Männer, die klar und deutlich herausstellen, welches Geschlecht welche Rechte hat und dass Prügeln normal sei. „In Deutschland beziehungsweise Europa würde kein Mann direkt in die Kamera sagen, dass er seine Frau schlägt, wenn sie ihm nicht gehorcht“, sagt Schmid. Doch auch hier würden viele Frauen Gewalt durch Partner und Verwandte erfahren. Es sei keineswegs ein Phänomen der Dritten Welt. Schmid: „Im Prinzip hätte ich in jedem Land der Welt drehen können.“

„Unter aller Augen“ kommt am 9. März deutschlandweit in die Kinos. Im Moritzhof Magdeburg gibt es an diesem Tag ab 17 Uhr eine Sondervorstellung in Anwesenheit der Regisseurin Claudia Schmid.