1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Goldener Bär für Ungarn

Berlinale Goldener Bär für Ungarn

Ungarn holt nach mehr als vier Jahrzehnten wieder den Goldenen Bären. Bei der 67. Berlinale darf aber auch ein Österreicher jubeln.

19.02.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Es ist eine zarte Liebesgeschichte – und sie bahnt sich ausgerechnet am Rande des blutigen Gemetzels in einem Budapester Schlachthaus an. Ildikó Enyedis Drama „Körper und Seele“ („Teströl és lélekröl“) gewann am Samstagabend den Goldenen Bären der 67. Berlinale. Nach 42 Jahren ging der Hauptpreis der Berliner Filmfestspiele damit wieder nach Ungarn.

Die Jury stärkte mit ihrer Entscheidung auch die in der Filmwelt immer noch unterrepräsentierten Frauen. Den Goldenen Bären hatte zuletzt im Jahr 2009 eine Regisseurin gewonnen. Starke Frauen waren das Thema vieler Berlinale-Filme – das spiegelte sich in der Preisvergabe.

Grund zur Freude hatte auch der Berliner Regisseur Thomas Arslan. Sein Hauptdarsteller Georg Friedrich aus dem Roadmovie „Helle Nächte“ wurde mit dem Silbernen Bären als bester Schauspieler geehrt. Der 50-jährige Österreicher Friedrich („Wild“, „Böse Zellen“) spielt in dem Vater-Sohn-Drama einen geschiedenen Vater, der wieder Nähe zu seinem 14-jährigen Sohn aufbauen will.

Friedrich kam lässig mit Basecap auf die Bühne und klebte vor der Dankesrede erstmal seinen Kaugummi auf die Tatze seines Bären. „Ich wollte den Preis dadurch nicht schmälern, ich wollte mich eher mit ihm anfreunden“, meinte der Schauspieler später.

Die Trophäe als beste Schauspielerin nahm mit Tränen in den Augen die 34-jährige Südkoreanerin Kim Min-hee entgegen. Sie spielt in „On the Beach at Night Alone“ („Bamui haebyun-eoseo honja“) von Hong Sang-soo eine erfolgreiche Filmschauspielerin, die nach einer Affäre mit ihrem verheirateten Regisseur in eine Sinnkrise gerät und sich ins Privatleben zurückzieht.

Mit den Filmen der besten Darsteller hatte sich das Berlinale-Publikum eher schwer getan. Die Liebesgeschichte „Körper und Seele“ lag in der Gunst der Zuschauer und Kritiker aber ganz vorne – ebenso wie Aki Kaurismäkis ebenfalls als großer Favorit gehandeltes Flüchtlingsdrama „Die andere Seite der Hoffnung“. Der finnische Kult-Regisseur Kaurismäki bekam dann immerhin den Preis für die beste Regie.

Die zwei anderen deutschen Wettbewerbsbeiträge neben Arslans „Helle Nächte“, Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ und Andres Veiels Dokumentation „Beuys“, gingen bei der Preisverleihung leer aus.

„Ich möchte allen Filmemachern danken, dass sie versucht haben, in diesen zehn Tagen die Welt mit Poesie zu retten“, sagte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick. Gleichzeitig solidarisierte sich der Festivalchef mit dem in der Türkei in Polizeigewahrsam genommenen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel. Er hoffe, dass Yücel bald wieder freigelassen werde, sagte Kosslick und reckte kämpferisch die Faust in die Luft.

Sehr verdient gewann der französisch-senegalesische Regisseur Alain Gomis den Großen Preis der Jury für „Félicité“. Sein im Kongo spielender Film erzählt von einer Bar-Sängerin, die verzweifelt versucht, Geld für die Operation ihres verunglückten Sohnes aufzutreiben – eine kluge Milieustudie mit einer kraftvollen Heldin.

Die polnische Altmeisterin Agnieszka Holland holte mit ihrem schrägen Öko-Feminismus-Thriller „Pokot“ den Alfred-Bauer-Preis. Die Auszeichnung wird für einen Spielfilm vergeben, der neue Perspektiven eröffnet. „Wir leben in sehr schweren Zeiten“, sagte Holland bei der Verleihung. „Wir brauchen neue Perspektiven. Wir brauchen Filme, die mutig sind und die die Themen ansprechen, die für unseren Planeten wichtig sind.“