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Fernsehserie Psychopath im Fadenkreuz

Der neue Berlin-„Tatort“ führt das Ermittlerduo Rubin/Karow tief hinab in den Untergrund der Hauptstadt.

10.12.2017, 08:28

Berlin (dpa) l Der SpuSi-Mann im weißen Ganzkörperanzug bringt es auf den Punkt: „Ey, ihr Beiden seid echt wie so ein Magnet für Horror-Leichen“, ruft der Spurensicherungsexperte dem Berliner Ermittler-Duo Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) zur Begrüßung zu. Unter einer Bahnbrücke wurde in einem ausgebrannten Transporter eine verkohlte Leiche gefunden. „Männlich, wahrscheinlich“, wird gemutmaßt. „Dein Name sei Harbinger“ heißt der düstere und spannende Berlin-„Tatort“, der morgen Abend (20.15 Uhr) im Ersten gezeigt wird.

Szenenwechsel: Es geht in den Berliner Untergrund. Dort hat der rätselhafteste Typ dieses Krimis seinen Auftritt. Im türkis gekachelten U-Bahnhof Alexanderplatz betreibt der stets lauernd um sich blickende Mann mit Schnauzbart, Mütze und schwarzer Kluft einen Schlüsseldienst. Nebenher nimmt er mit einem altertümlichen Kassettenrekorder kryptische Beobachtungen über andere Menschen auf. Christoph Bach – bekannt als Mediziner Paul Ehrlich aus der historischen ARD-Serie „Charité“ – spielt diesen von Verfolgungswahn gepeinigten Psychopathen als ebenso abstoßende wie faszinierende Figur.

Im sechsten gemeinsamen Fall von Rubin und Karow knirscht es im Zusammenspiel des Ermittlerteams nach wie vor gewaltig. Karow versprüht mal wieder Zynismus pur. Becker streitet sich am Handy mit ihrem ins ferne Straubing gezogenen Mann, nachdem sie gerade den gemeinsamen Sohn Tolja aus der Ausnüchterungszelle geholt hat. Kommissarsanwärterin Anna Feil (Carolyn Genzkow) bricht nach einer schlimmen persönlichen Nachricht auf der Toilette zusammen – und gerät ins Fadenkreuz der gefährlichen Ermittlungen. Rasch werden Verbindungen zwischen drei alten Fällen mit dem jüngsten Verbrechen sichtbar – geht in Berlin ein Serienkiller um?

Die Spur führt zu einer Kinderwunschklinik – denn die Toten waren alle Halbgeschwister, gezeugt mithilfe von In-Vitro-Fertilisation. Am zweiten großen Schauplatz des Films wird dann auch das Gender-Thema fortgesetzt, das die bisherigen Berliner „Tatort“-Folgen durchzog. Die Klinik-Gründerinnen (Almut Zilcher und Eleonore Weisgerber) sind auch privat ein Paar. Ihr Sohn Stefan (Trystan Pütter), heutiger Leiter der Klinik, ist ein „Produkt“ seiner Mütter. „In der Schule war ich immer das Lesben-Kind aus dem Reagenzglas“, gesteht der Arzt Rubin. „Aber meine Mütter waren Pionierinnen. Nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich. Sie haben für eine neue Idee von Familie gekämpft, die mittlerweile einen festen Platz in unserer Gesellschaft hat“, sagt er stolz.

Karow ermittelt inzwischen auf eigene Faust. Er versucht auf sehr spektakuläre Weise und unter Einsatz seines Lebens, das Vertrauen des Verdächtigen aus dem Berliner Untergrund zu gewinnen. Der hatte nämlich als Jugendlicher einen Anschlag auf eine der Reproduktionsmedizinerinnen verübt. Mark Waschke baut seine Ermittlerfigur mit seinen gewagten Alleingängen zu einer Art Schimanski aus – und drängt Meret Becker als die mit familiären Problemen kämpfende Kollegin Rubin dieses Mal etwas an den Rand.

Regisseur Florian Baxmeyer hat bereits „Tatort“-Erfahrung und inszenierte zuletzt unter anderem den Fall „Nachtsicht“ mit der Bremer Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel). Mit „Dein Name sei Harbinger“ gelingt ihm ein atmosphärisch dichter Thriller an schaurig schönen Berlin-Schauplätzen. Die Handlung ist einigermaßen schlüssig - was mehr zählt, das sind aber die eigenwilligen, interessanten Charaktere.

Das Erste zeigt „Dein Name sei Harbinger“ am Sonntag um 20.15 Uhr.