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Kinofilm Tschernobyl in Sachsen-Anhalt

Nico Sentners Film „Atomic Eden“, überwiegend in der Vorharz-Region gedreht, kommt in die deutsche Kinos. Die Premiere ist in Halberstadt.

Von Dennis Lotzmann 18.07.2018, 01:01

Halberstadt l Wer das Dörfchen Schadeleben auf der Sachsen-Anhalt-Karte sucht, wird vermutlich etwas länger benötigen. Schadeleben ist mit rund 700 Einwohnern Ortsteil der Stadt Seeland, direkt an der Grenze von Salzland- und Harzkreis. Nico Sentner ist hier großgeworden. Mit einem Wunsch, der spätestens seit dem zwölften Lebensjahr, als er seine erste Kamera in der Hand hielt, gereift ist: „Ich habe immer darauf hin gearbeitet, als Regisseur meinen eigenen Film zu drehen.“ Mit 30 Jahren war dieses Ziel erreicht. Vor allem rund um Seeland wurden die Szenen für „Atomic Eden“ gedreht. Nun, fünf Jahre später, geht Nico Sentner damit in Deutschland an den Start.

Ob der Streifen, für den Sentner seinerzeit Hollywood-Star Fred Williamson gewinnen konnte, in Deutschland ebenso viel Erfolg hat wie im arabischen und asiatischen Raum, bleibt abzuwarten. Die deutschen Verleiher seien eher zurückhaltend. So startet die selbst angeleierte Kinotour am Sonnabend um 20 Uhr mit der Premiere in der Halberstädter Zuckerfabrik. Eigens dafür werde Williamson eingeflogen und nach der Premiere Mediabooks signieren. Anschließend will der 35-Jährige mit dem Film durch Deutschland touren.

Der Cineast aus Sachsen-Anhalt fällt nicht nur hier aus dem Rahmen. Während Berufskollegen ihre Streifen mit schwerer Filmförderung drehen, und Letztere zuweilen auch Hollywood-Größen nach Sachsen-Anhalt locken, ist Sentner stolz, „noch nie einen Cent“ von der Förderung kassiert zu haben. „Meine Mission ist Hollywood aus Sachsen-Anhalt.“ Ein hoher Anspruch. Der Weg dorthin war und ist steinig. Aber stets zielgerichtet. Schon mit 17 Jahren habe er seine erste eigene Filmfirma gegründet – „damals mussten noch meine Eltern bürgen“, erinnert sich Sentner. „Die haben mir damals Zeit gelassen und wohl gedacht, lass den Jungen mal ein Jahr machen, dann legt sich das schon wieder.“ Keineswegs. Mit „Dark Legacy“, einem Horror-Kurzfilm, lieferte Sentner mit 22 Jahren gewissermaßen sein Gesellenstück ab.

Weil Sentner mit „Dark Legacy“ gelungen ist, wovon er träumte: Während in Deutschland die Türen meist verschlossen blieben, war der Streifen auf der anderen Seite des großen Teichs so was wie ein Türöffner. Und daran erinnert auch ein anderer Käufer: Der Film sei „der Startschuss für Sentner‘s weitere Laufbahn im Filmgeschäft“ gewesen.

Ein Startschuss, der Sentners Kontakte verschaffte, die sich 2012 auszahlen sollten. Damals sei er bei der Suche nach Dreh-orten für weitere Streifen auf die alte Betonfabrik in Wegeleben gestoßen. Das sei quasi eine Fundgrube gewesen, wie sie sich Filmemacher nur wünschen können. Verstaubte Industrieanlagen, die wirkten, als hätten sie die Akteure vor Monaten oder Jahren Knall auf Fall verlassen. So wie 1986 nach der Katastrophe im ukrainischen Atomreaktor Tschernobyl, als auch die Wohnstadt der Kraftwerksbeschäftigten Prypiad binnen Stunden geräumt wurde.

Der Rest war eine Mischung aus Inspiration und Kreativität, die Sentner zum Regisseur und Darsteller in „Atomic Eden“ werden ließen. An seiner Seite Freunde aus Hollywood wie Fred „The Hammer“ Williamson, die Japanerin Hazuki Kato und Mike Möller. Etwa 80 Prozent der Szenen wurden im Betonwerk gedreht, darüber hinaus war die Crew damals in und rund um Schadeleben unterwegs: Frose, Hausneindorf, Quedlinburg und Staßfurt sind zu sehen, aber auch Sequenzen, die in Moskau und in der verbotenen Stadt Prypiad gedreht wurden. Allein das könnte aus regionaler Sicht reizen.

Nachdem ihm einst alle prophezeit hätten, dass sein Konzept nicht aufgehen würde, ist Sentner stolz, das Gegenteil bewiesen zu haben. Und der 35-Jährige will seinem Anspruch treu bleiben, ohne Filmförderung auszukommen. Aktuell denke er über einen Actionstreifen, Horrorstoff oder einen Monsterfilm nach. „Ich würde aber auch gern mal einen Familienfilm machen.“ Beweis sei eine 2017 produzierte Pferdedoku für Kinder, die fertig in der Schublade liege.