1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Schlöndorff wird 80

Regisseur Schlöndorff wird 80

Volker Schlöndorff gehört mit Filmen wie „Die Blechtrommel“ zu den großen deutschen Regisseuren. Jetzt wird er 80.

Von Julia Kilian 30.03.2019, 23:01

Potsdam/Berlin (dpa) l Die Szene mit dem Pferdekopf hat so manchem das Aalessen verdorben. Das Brausepulver im Bauchnabel? Provoziert noch heute. Ganz zu schweigen von dem, was unter dem Rock auf einem Kartoffelacker passiert. Mit seiner Verfilmung von „Die Blechtrommel“ hat Volker Schlöndorff Kinogeschichte geschrieben. Am Sonntag wird der Regisseur 80 Jahre alt.

Fragt man ihn, warum er so viele Literaturverfilmungen gemacht hat, gibt er eine eindeutige Antwort. „Sie sehen ja, ich liebe Bücher“, sagt Schlöndorff. Er sitzt in seinem Haus an der Stadtgrenze von Potsdam zu Berlin. Der Boden ist aus hellem Holz, und die Fenster seines Arbeitszimmers führen zum Griebnitzsee hinaus. Im Regal stehen Bände über deutsche Geschichte und Reiseführer, von Äthiopien bis „Kasachstan entdecken“.

Schlöndorff trägt Kapuzenjacke und eine Brille mit durchsichtigem Gestell. So sehen auch Mittzwanziger in Berlin-Mitte aus. Schlöndorff hat ihnen einiges an Leben voraus. Er hat mit den Hollywoodgrößen Dustin Hoffman und John Malkovich „Tod eines Handlungsreisenden“ gedreht. Er hat sich Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ vorgenommen. Und mit Julie Delpy „Homo Faber“ von Max Frisch verfilmt. Der Autor schenkte ihm später seinen Jaguar.

Sein wohl größter Erfolg ist die Verfilmung von Günter Grass’ Roman „Die Blechtrommel“. Ein Film, der auch 40 Jahre später in seiner Skurrilität und seinem politischen Erklärungsgehalt noch eine ziemliche Wucht besitzt. Schlöndorff hat damit als bisher einziger deutscher Regisseur eine Goldene Palme in Cannes und einen Oscar in den USA gewonnen. Zuletzt lief „Rückkehr nach Montauk“ in den Kinos, der bei Kritikern auf eher geteiltes Echo stieß.

„Ich habe immer mit Büchern gelebt“, sagt Schlöndorff heute. Insofern sei er in Literaturverfilmungen reingerutscht. Natürlich habe er auch andere Filme gemacht. Aber trotzdem sei es eine Art Markenzeichen geworden, auch wenn er das Wort nicht mag. Wenn man Schlöndorff fragt, was er gerade liest, nimmt er seinen E-Reader in die Hand.

Neben Montaigne – dem Alter entsprechend – habe ihn zuletzt nochmal „After the Fall“ von Arthur Miller gereizt, über dessen Trennung von Marilyn Monroe. Er habe „American Pastoral“ von Philip Roth gelesen, ein Buch über Afrika und Bestseller des Sachbuchautors Yuval Noah Harari. Auch „Unterleuten“ von Juli Zeh war dabei.

Den Roman las Schlöndorff, während er auf Reisen in Afrika war. Mehrere Wochen war er mit dem Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo in Mali, Niger und Ghana unterwegs. Schlöndorff plant einen Dokumentarfilm über den Australier, der mit einer besonderen Methode ausgetrocknete Gebiete wieder aufforstet. Rinaudo habe das Leben vieler Menschen dort verändert, sagt der Filmemacher.

Der Klimawandel ist eines der Themen, die Schlöndorff gerade beschäftigen. Er referiert Fakten und erzählt vom Projekt. Dass er mal zum Film gehen würde, war nicht absehbar. Geboren wird er 1939 in Wiesbaden. Der Vater arbeitet als Arzt. Die Mutter stirbt, als sich beim Erhitzen von Bohnerwachs ein Feuer entzündet. Er erinnere sich nur, wie er damals gegen die Tür des Kinderzimmers getrommelt habe, hinter der sich so Schreckliches ereignet habe, schreibt Schlöndorff in seiner Autobiografie.

Noch Jahrzehnte später habe er in der „Blechtrommel“ den verzweifelten Oskar Matzerath ebenso vergeblich an die Tür schlagen lassen, hinter der seine Mutter an Fischvergiftung gestorben sei.

Schlöndorff geht in Frankreich bei Vertretern der Nouvelle Vague in die Lehre, macht sich einen Namen. Er arbeitet auch mit der Schauspielerin und Regisseurin Margarethe von Trotta, seiner ersten Ehefrau, zusammen. Später heiratet er die Filmschnittmeisterin Angelika Gruber und bekommt mit ihr eine Tochter. Erst vor wenigen Monaten ist seine Frau gestorben.

Schlöndorff sitzt am Schreibtisch, erzählt von seiner letzten Reise und gibt sich Pausen zum Nachdenken. „Noch mehr als Bücher“, sagt er, „liebe ich den Umgang mit Schriftstellern.“ Die hätten etwas Besonderes, weil sie sehr viel Zeit alleine verbringen könnten. „Und bei mir ist es genau umgekehrt“, sagt Schlöndorff. „Wenn man Filme macht, hat man immer 100 bis 200 Leute um sich herum.“