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TV-Serie Ist der "Tatort" 2019 wieder besser?

Deutschlands beliebteste Fernsehreihe "Tatort" geht in die Sommerpause - in einem überraschend starken Jahrgang. Oder?

15.06.2019, 23:01

Berlin (dpa) l Was ist bloß beim "Tatort" los? Kaum ein Fernsehformat wird so viel diskutiert wie der ARD-Sonntagskrimi. Leidenschaftlich tauschen sich Millionen über die Fälle aus. Nachdem es in jüngerer Zeit oft Krimijammer gab, schien die erste Jahreshälfte 2019 – bis zur Sommerpause, die am Sonntag (16. Juni) nach dem Schweizer Krimi "Ausgezählt" beginnt – ein Comeback guter Filme zu bieten. Oder täuscht dieser Eindruck?

Zwischen Neujahr und Mitte Juni standen jedenfalls 22 neue Filme im Programm des Ersten. Seit dem Start der Reihe 1970 waren es die Folgen 1078 bis 1099. Drei Fälle stießen auf besonders viel Resonanz.

Der Dresdner Serienmörder-Thriller "Das Nest" (28. April) setzte sich beispielsweise beim viel gelesenen "Tatort-Blog" an die Spitze der Rangliste aller Fälle überhaupt. In dem von Regisseur Alex Eslam (Drehbuch: Erol Yesilkaya) inszenierten siebten Dresden-"Tatort" mit Karin Hanczewski, die jetzt Cornelia Gröschel statt Alwara Höfels an ihrer Seite hat, mimte Benjamin Sadler in sächsischer Vorstadtatmosphäre einen bedrohlichen Killer-Arzt.

Mit dem grotesken Zeitschleifenfilm "Murot und das Murmeltier" (17. Februar) übertraf sich der Ulrich-Tukur-"Tatort" wieder einmal selbst, wie viele kommentierten. In dem Film erlebt der Ermittler einen Morgen immer wieder neu, kommt dabei in einer absurden Variation von Todesarten ums Leben und versucht, dem Wiederholungs und Routinedrama trickreich zu entkommen. Es war der zweite "Tatort" von Filmemacher Dietrich Brüggemann, der zuvor die ambitionierte Stuttgarter Folge "Stau" inszeniert hatte.

Auch das Pflegerinnendrama "Anne und der Tod" (19. Mai) aus Stuttgart faszinierte viele Menschen. Die oft eher skeptische "taz" jubelte zum Beispiel: "Diese Folge wird das Jahr überdauern, so irre gut ist sie." Lob gab es vor allem für die Darstellung der Episodenhauptfigur Anne (Katharina Marie Schubert), die verdächtigt wird, zwei Pflegebedürftige auf dem Gewissen zu haben, sowie für Drehbuch (Wolfgang Stauch), Regie (Jens Wischnewski) und Schnitt (Barbara Brückner). Der Film ist ein Verhörkrimi mit geschickten Rückblenden.

Auch der "Tatort"-Experte François Werner – Kopf der Fanseite "Tatort-Fundus" – sieht die Folgen "Anne und der Tod", "Das Nest" und den Murot-Krimi als Highlights des ersten Halbjahres. Daneben würde er noch den Schwarzwald-Krimi "Für immer und dich" (10. März) von Julia von Heinz nennen, in dem eine Teenagerin in einem zwiespältigen Verhältnis zu einem Jahrzehnte älteren Mann gezeigt wird; außerdem den Franken-Thriller "Ein Tag wie jeder andere" (24. Februar).

Schwer tut sich Werner aber mit dem Überschwang, der "Tatort" werde "wieder besser". Es gebe nach wie vor viel "normale Krimikost", etwa aus Köln, oder die quotenstarken, aber stets klamaukigen Münster-Krimis. "Das wird eben gern geschaut, selbst wenn da für viele Fans die Luft raus ist." Allerdings gebe es zurzeit auch nicht so viele gefühlte "Experimental-"Tatorte"", die so polarisierten, wie etwa 2017 der in Mundart improvisierte "Babbeldasch" oder 2018 der schnittlose Schweizer One-Take "Die Musik stirbt zuletzt".

Tiefpunkt für François Werner war 2019 bislang ein Fall aus München: "Für mich ganz persönlich war "Die ewige Welle" zwar atmosphärisch stark, aber als Kriminalgeschichte die Niete des Halbjahres – mit zu viel Privatkrams."

Und was gab es sonst noch Vermeldenswertes aus der "Tatort"-Welt? Zwei Teams verabschiedeten sich im ersten Halbjahr. Im Saarland ging der nie so richtig angekommene Ermittler Jens Stellbrink (Devid Striesow) nach acht Filmen mit dem Fall "Der Pakt" (27. Januar); in Bremen gab es im Film "Wo ist nur mein Schatz geblieben?" (22. April) ein tödliches Ende für den Ermittler Stedefreund (Oliver Mommsen) an der Seite von Inga Lürsen (Sabine Postel), die mehr als 21 Jahre in der Hansestadt im Einsatz war. Beim Berliner Team kündigte Meret Becker ihren Ausstieg für 2022 an. Mark Waschke will aber bleiben.

Ihren Einstand gaben in den letzten sechs Monaten die Schauspielerinnen Cornelia Gröschel in Dresden sowie in Niedersachsen Florence Kasumba an der Seite der langjährigen Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler). Die nach Göttingen strafversetzte Lindholm wurde von ihrer neuen Kollegin Anaïs Schmitz zum Auftakt gleich mal geohrfeigt.

Personalien für die Zukunft wurden mehrere verkündet: So stellte der Saarländische Rundfunk sein neues Team Hölzer und Schürk mit den Schauspielern Vladimir Burlakov und Daniel Sträßer vor – zum Ensemble gehören auch zwei Kommissarinnen (Brigitte Urhausen und Ines Marie Westernströer) sowie eine Rechtsmedizinerin (Anna Böttcher).

Das Schweizer Fernsehen lässt derweil ab 2020 in Zürich statt Luzern ermitteln: Die neuen Ermittlerinnen heißen Isabelle Grandjean und Tessa Ott (Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler).