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Werbung Die Persil-Frau war einmal

Harte Kerle und adrette Hausfrauen - lange köderte Werbung die Konsumenten nach traditionellem Muster. Jetzt werden die Rollen neu verteilt.

21.06.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Männer halten Händchen, Familienväter spülen ab, Frauen sind nicht mehr nur Heimchen am Herd - allmählich stellt sich die Werbung auf zeitgemäße Rollenbilder ein. Das adrette Weltbild, in dem Hausfrauen in Töpfen rühren oder Waschpulver loben und der Gatte für den Rest zuständig ist, hat Risse bekommen. Mit seinem jüngsten Internet-Spot „Der Fan“ über ein schwules Paar hat die Deutsche Bahn einen viralen Hit gelandet. In rund drei Wochen wurde das Video auf YouTube mehr als 2,6 Millionen Mal angeklickt. Ein Zeichen, dass sich Klischees allmählich auflösen – oder?

Ganz so euphorisch ist Stevie Schmiedel nicht. „Es fehlt der Kuss am Ende“, sagt die Geschäftsführerin der feministischen Organisation Pinkstinks. Und der Spot werde nur im Internet gezeigt – gezielt für eine junge Zielgruppe. Dennoch bescheinigt Schmiedel der Bahn den Mut, eingefahrene Schienen verlassen zu wollen.

„In Deutschland gibt es nämlich noch viel Stammtisch“, sagt Schmiedel, die sich mit ihrer Organisation Pinkstinks gegen Sexismus in Werbung und Medien engagiert. Dabei kämpft die Deutsch-Britin nicht für Prüderie und nennt die Kampagne einer Hamburger Brauerei als positives Beispiel. Da steht dann etwa auf einem Plakat ein tiefes Dekolleté und der Spruch: „Keine Haare auf der Brust, aber Astra trinken!“

Tatsächlich hat die internationale Werbeindustrie die Zeichen der Zeit erkannt. Seit 2015 vergibt das Werbe-Festival in Cannes neben den traditionellen Preisen auch die Gläsernen Löwen. Ausgezeichnet werden dabei auch Spots, die Gender-Stereotypen hinterfragen. Zu den Einsendungen gehört der berührende Film eines US-Herstellers von Slipeinlagen. Was bedeutet es, sich „wie ein Mädchen“ zu verhalten, fragt der „Always“-Film? Mädchen und Jungen geben dazu Antworten – und die fallen zum Teil überraschend aus.

Auch Giselle Bündchen engagiert sich in der Gender-Frage. Für einen Sportbekleidungs- hersteller übt sich die Brasilianerin vor der Kamera als schweißgebadete Kickboxerin. Auf eine Wand werden Vorurteile über das Supermodel projiziert. „Ich mache, was ich will“, lautet Bündchens trotzige Antwort. „Um Dinge zu verändern, muss man die Kultur verändern. Und Werbung und Kultur sind zusammen mit dem Kino vielleicht die stärksten Instrumente dafür“, sagte Philip Thomas, Festivalchef in Cannes, dem US-Fachmagazin „Adweek“.

Ob die „Geiz-ist-Geil“-Kampagne oder die Frage „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ – bei Investitionen von 25 Milliarden Euro im Jahr dreht die Werbebranche tatsächlich am Rad des öffentlichen Gesprächs mit. Doch kann Werbung auch Verhalten bestimmen, wie Cannes-Chef Thomas behauptet – oder greift sie lediglich diffuse Gefühle zum Zweck der Umsatzoptimierung auf?

„Werbung ist ein Spiegel der Zeit“, sagt Susanne Stark, Expertin für Marketing und Genderfragen an der Hochschule Bochum. Die Wirtschafts-Professorin hat in einer Studie 2011/2012 klassische Geschlechterbilder analysiert und dafür 1000 Printanzeigen und 100 TV-Spots unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Werbung mache Haltungen gesellschaftsfähig. Für Stark gibt es eine Wechselwirkung zwischen Werbebotschaften und Gesellschaftstrends.

In der Werbeindustrie sieht man Fragen zu Rollenbildern skeptisch. „Der Begriff ‚Rollenbild‘ klingt nach Erziehungsauftrag“, sagt Maik Luckow vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Werbung solle nicht erziehen, sondern Menschen für Produkte und Dienstleistungen begeistern. Mit dem Werberat habe die Branche ein effizientes Instrument der Selbstkontrolle, etwa gegen sexistische Werbung. Deswegen hält der ZAW auch nichts von Verboten, wie sie Justizminister Heiko Maas (SPD) ins Gespräch gebracht hat. „Dieser Weg wäre ein schwerer ordnungspolitischer Fehler, eine arrogante Bevormundung der Bürger und vor Gerichten so zeitaufwendig wie teuer.“

Stereotypen werden weniger, aber einige hielten sich beharrlich, etwa die „dumme“ Hausfrau, die sich von einem männlichen Experten belehren lässt, sagt die Bochumer Professorin Stark. Oder die Frau als Verführerin: Sie komme in nur noch in etwa zehn Prozent der Anzeigen und Spots vor. „Neben dem Geschäftsmann gibt es heute auch die Geschäftsfrau“ – die Anzahl der Rollenbilder habe sich vervielfacht. Einfältiger seien die Kreativen aber noch immer beim Alter: Frauen mit Falten kämen seltener vor als Männer mit grauen Schläfen, sagt Stark.