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Volkstheater "Olvenstedt probiert\'s" bespielt Innenhof im Magdeburger Forum Gestaltung Zeltplatz, Kiosk und schräge Typen

Von Rolf-Dietmar Schmidt 26.07.2013, 01:07

"Olvenstedt probiert\'s" nun schon zum 19. Mal, und der stürmische Beifall des Publikums zur Premiere der "Jüdin von Toledo" nach Franz Grillparzer im Innenhof des Forums Gestaltung am Mittwochabend zeigte, dass sie es noch immer können.

Magdeburg l Es ist das kultige Geheimnis dieser Theatergruppe aus Profis und Laien, dass sie sich Jahr für Jahr bemühen, die ganz großen Theater-Klassiker zwischen Bier und Kompott - gemeint ist ein Kräuterlikör - auf oder über die Bühne zu bringen. Diese ist einem Zeltplatz an der Ehle nachempfunden, mit einem unverzichtbaren Kiosk für die nachhaltige Versorgung mit "Flüssignahrung". Natürlich geht bei dem Spiel der Inszenierung wie immer alles schief. Ganz gleich, wie sich Sebastian "Basti" Wiese in der Rolle des verkappten Sozialarbeiters aus Hannover und Regisseurs um intellektuelle Durchdringung müht: mit dieser Truppe aus "Machdeburjer Orjinalen", wie Beate Braune, "Fränki" Gericke oder Joachim Sommer, steht er auf verlorenem Posten.

Gar nicht zu reden von Appel, Banane, Kescher, Erpel, Tacho oder Joe-Achim Gerecke. Weglassen kann man keinen von ihnen, denn jeder hat im Laufe der Jahre seine eigene Fangemeinde gewonnen, die unabänderlich die Treue hält. "Olvenstedt probiert\'s" ist Kult. Und dieses Sommer- und Volkstheater, mit den Ursprüngen in den Freien Kammerspielen um die Jahrtausendwende, hat eigene Rituale, die vom Publikum erwartet und gefeiert werden. Das beginnt mit dem Hissen der Fahne des 1. FC Magdeburg, setzt sich mit dem Vorfahren per Schwalbe-Moped fort, ist mit meist bissigen Seitenhieben auf lokale Politik- und Kulturgrößen gespickt und findet seinen Höhepunkt im "Schnelldurchlauf" des Theaterstücks. Das rituelle Erfüllen der Zuschauererwartung ist die große Stärke, aber auch wegen möglicher Abnutzungserscheinungen die Achillesferse des nun schon fast zwei Jahrzehnte andauernden Erfolgs.

Da kommt frisches Blut wie gerufen. In der "Jüdin von Toledo" ist das Beate Fischer in der Rolle der Susanne Solga, hier kurz "Susi". Sie kennt sich in Magdeburg aus, war fünf Jahre im Ensemble der Freien Kammerspiele. Die Schauspiel-Mannschaft auf dem Ehle-Zeltplatz ist - mit Ausnahme der Diva Beate - im zeitlupenhaften Schwelgen ob ihrer Schönheit verzückt. Sie erklärt in feinstem Sächsisch, aus Gräfenhainichen zu kommen. Als sie dann mit Regisseur Basti zu einem längeren Tête-à-Tête verschwindet, droht die Aufführung im Landtag zu platzen. Doch die Olvenstedter wären nicht die, die wir kennen, wenn sie das nicht mit Bravour "drehen" würden.

So fließen dann doch die Fördermittel, der Kulturbeamte ist glücklich, und die zahlreichen Zuschauer waren es auch.

Nächste Aufführungen: heute und morgen jeweils 20 Uhr.