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Vor 175 Jahren wurde Mark Twain geboren Der Autor gilt als Vater der US-amerikanischen Literatur

19.11.2010, 04:14

Eigentlich wurde er zweimal geboren: vor 175 Jahren am 30. November 1835 als Samuel Langhorne Clemens im Dorf Florida/Missouri – und am 3. Februar 1863, als er die erste Reportage unter seinem Pseudonym Mark Twain veröffentlichte. Das erste Mal als Frühgeburt just in den Tagen, als der Halleysche Komet sich zeigte, das zweite Mal am Mississippi.

Von Claudia Schülke

Frankfurt am Main. (epd). Denn dort verdingte er sich als Steuermann auf den Raddampfern, die erst bei "mark twain" auslaufen durften, zwei Faden Mindestwassertiefe (2,66 Meter).

Der Mississippi hat das Leben Mark Twains (1835-1910) geprägt. Ihm hat der amerikanische Schriftsteller die besten seiner Bücher gewidmet: "Tom Sawyers Abenteuer" (1876), "Leben auf dem Mississippi" (1883) und "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" (1884). Der Roman über einen jugendlichen Tramp, der mit einem entlaufenen schwarzen Sklaven auf einem Floß den Mississippi hinabschippert, gilt noch heute als sein Meisterwerk.

An den Ufern des großen Stroms ist der Schriftsteller aufgewachsen, in der Kleinstadt Hannibal/Missouri hat er als Schüler jene Abenteuer erlebt, die er später seinen Lausejungs Tom und Huck zuschrieb: erste Liebe auf der Schulbank und Schatzgräbereien in labyrinthischen Höhlen.

In seiner Kindheit musste er erleben, wie seine Eltern ver- armten. So begann er nach dem Tod seines Vaters schon mit elf Jahren eine Schriftsetzerlehre und veröffentlichte Artikel im "Hannibal Journal", das sein Bruder Orion gekauft hatte. Mit 17 bereiste er den Osten und mittleren Westen des Landes und verfasste Reiseberichte. 1857 ließ er sich zum Steuermann ausbilden, konnte aber nur zwei Jahre über den Mississippi fahren, bevor der Sezessionskrieg der Schifffahrt ein Ende machte.

Die Arbeitslosigkeit verschlug ihn in den Westen. Von der Goldgräberei in Virginia City hatte er bald genug. Er schrieb lieber Reportagen für den "Territorial Enterprise" und wob am Mythos des Wilden Westens.

Nach Aufenthalten in Kalifornien und Hawaii gelang ihm 1864/65 der literarische Durchbruch mit der Erzählung "Der Springfrosch von Calaveras". Eine Reise durch Europa und den Nahen Osten verarbeitete er 1869 in einer Reportagesammlung unter dem Titel "Die Arglosen im Ausland". Nach seiner Heirat mit der wohlhabenden Olivia Langdon wurde Mark Twain 1871 in Hartford/Connecticut sesshaft.

Dort verfasste er seine erfolgreichsten Bücher, die fast alle in seiner Autobiografie wurzeln. Dazu gehört auch sein "Bummel durch Europa" mit dem köstlichen Essay über "Die schreckliche deutsche Sprache".

Eine Fehlinvestition ließ ihn verarmen

In Heidelberg hatte er sich mit einem Freund an Komposita und Bandwurmsätzen versucht. "Drei unserer Lehrer waren darüber gestorben", bilanzierte er seinen Intensivkursus. Immerhin hatte er genug Deutsch gelernt, um den "Struwwelpeter" übersetzen zu können. Mark Twain spekulierte gern. Das wurde ihm 1894 zum Verhängnis: Eine Investition in eine fehlerhafte Setzmaschine trieb ihn in den Bankrott. Er musste sein luxuriöses Domizil aufgeben, um als Vortragsreisender seine Schulden begleichen zu können. 1904 starb seine stets kränkelnde Frau, von seinen vier Kindern überlebte ihn nur eine Tochter. Der Satiriker, der die Gier nach Macht und Reichtum als "Amerikas Krankheit" bezeichnete und sich in seinem Roman "Der Prinz und der Bettelknabe" auf die Seite der Armen geschlagen hatte, war nun selbst arm.

Der Autor, der die amerikanische Umgangssprache literaturfähig gemacht hatte, ließ in späten Texten seiner Misanthropie freien Lauf. In der Erzählung "Der geheimnisvolle Fremde" wendete er sich von der Idee einer göttlichen Ordnung der Welt ab, erklärte sie zum menschlichen Hirngespinst. Als Mark Twain am 21. April 1910 in Redding/Connecticut einen Tag nach der Wiederkunft des Halleyschen Kometen starb, galt er dennoch als Vater der US-amerikanischen Literatur.

Die Yale-University hatte ihm schon 1901 einen Ehrendoktortitel verliehen, und Ernest Hemingway befand später geradezu kategorisch: "Die gesamte amerikanische Literatur stammt von einem Buch von Mark Twain namens ,Huckleberry Finn‘ ab. Vorher gab es nichts. Seitdem gab es nichts, was dem gleichkommt."