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Theater an der Angel probt für "Das lange Weihnachtsmahl" Eine Haushälterin blickt zurück auf 90 Jahre Weihnachten

10.12.2010, 04:23

Von Grit Warnat

Magdeburg. Eine Familie sitzt an einem großen, langen Tisch. Es ist Weihnachten, jene Zeit, in der sich die Familie zusammenfindet, gemeinsam speist und sich das Neueste über Freuden und Sorgen, Geburt und Tod erzählt. Der US-amerikanische Autor Thornton Wilder lässt in seinem Stück "Das lange Weihnachtsmahl" eine Familie 90 Jahre lang in einer sehr komprimierten Form Weihnachten feiern.

Das Theater an der Angel liebäugelt schon viele Jahre mit der Aufführung dieses Theaterspiels, das der dreifache Pulitzer-Preisträger und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Wilder im Jahr 1960 für den Broadway erschaffen hatte. Immer habe die Frage im Raum gestanden, wie das Theater zwölf Leute zusammen kriegen soll, sagt Ines Lacroix. Jetzt haben die Theatermacher eine – wie typisch für das Haus – ganz eigene Lesart gefunden.

Das Besondere: Nicht eine Familie mit zwölf Personen spielt auf der Bühne, sondern einzig Ines Lacroix. Sie ist die Haushälterin, die eigentlich keine Rolle spielt, eine stumme Figur ist. Sie wird jetzt zur Hauptperson – ist übriggeblieben, nachdem sich die ganze Familie zerstreut hat und wirft als Außenstehende den Blick zurück auf das Geschehen am Tisch.

Und doch wird es eine Familie auf der Bühne der Theatervilla in der Zollstraße geben: in filmischen Sequenzen. In Rückblenden ist die Wildersche Familie am Tisch zu sehen, gespielt von mehreren Familien, die dem Theater verbunden sind. Sie sollen in den Raum projiziert werden – so auch mit dem Tisch und dem Truthahn, der extra für das Stück gebraten wurde. "Wir spielen mit diesen Illusionen", sagt die Schauspielerin. Auch das steht für die eigenen Lesart.

Außerdem wurde gestrichen im Text. "Aber wir haben die Grundstory und die Konstruktion benutzt", sagt Regisseurin Therese Thomaschke. Und so soll das Stück im Sinne von Wilder eine Betrachtung der Unvergänglichkeit im Fluss der Zeit bleiben, ein Stück vom Kommen und Gehen, vom Zeitenwandel und vom Alltag zwischen Geburt und Tod. Thomaschke: "Es ist auch eine Wiederholung von Weihnachtsfesten. Sie sind zwar in den Gesprächen immer etwas anders, aber doch auch wieder ähnlich. So wie sich die Zeiten und die Generationen ändern."

Ein melancholisches Stück als Gegenpol zum derzeit laufenden "Engel packen aus"? "Es ist ein Stück mit Melancholie", bestätigt Ines Lacroix, betont aber, dass dieses Weihnachtsmahl voller Lebensweisheit und unaufgeregten alltäglichen Situationen steckt.

"Das lange Weihnachtsmahl" hat am 16. Dezember seine Premiere. Gespielt wird das Stück bis zum 28. Dezember.