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Wahid Nader schreibt Lyrik und übersetzt Bücher von Herta Müller Ein Leben in zwei Welten

25.11.2010, 04:14

Magdeburg ist für den gebürtigen Syrer Wahid Nader Heimat geworden. Die deutsche Sprache auch. Seit Jahren schon schreibt er Texte auf Deutsch, doch seine Lyrik hat er bisher nur auf Arabisch veröffentlicht. Jetzt hält er seinen ersten deutschen Gedichtband in den Händen. "Ich weide Sterne auf trunkener Nacht" wird er am 30. November (19 Uhr) im Literaturhaus Magdeburg vorstellen.

Von Grit Warnat

Magdeburg. Er ist Ingenieur für Chemie und Maschinenbau, promovierte Ende der 80er Jahre an der damaligen Technischen Universität "Otto von Guericke", war jahrzehntelang wissenschaftlich tätig. "Aber in meiner Freizeit war ich immer Literat", sagt der 55-Jährige. Sein Herz hänge am geschriebenen Wort, es fasziniere ihn – schon seit vielen Jahren.

1978 wurde Nader in Syrien erstmals für seine Poesie ausgezeichnet. Er veröffentlichte anfangs in arabischen Zeitungen und Zeitschriften, später auch in deutschen Literaturzeitschriften und Anthologien. Wann schreibt er auf Deutsch, wann auf Arabisch? "Das bestimmt der Gedanke", sagt Nader. Einige seiner Gedankenwelten könne er nur in der Muttersprache ausdrücken, einige wiederum nur in deutsch. "Ich lebe in zwei Welten", sagt Nader. Diese beiden Welten hat er in "Ich weide Sterne auf trunkener Nacht" (Verlag Hans Schiler) lyrisch beschrieben. So in "Mein Harem", Zeilen, die sich um deutsches und ein arabisches Gedicht ranken. Nader spielt mit der Sprache und der Bedeutung hinter den Wörtern. Er ist immer auf der Suche nach Sprachbildern – um zwei Kulturen zusammenzubringen, um den Leser und den Zuhörer mitzunehmen in das Leben zwischen Magdeburg und Damaskus. Sieht sich Nader als Mittler? "Oh ja", sagt er spontan.

Mittlerweile ist die Sprache zu seinem Job geworden. Nader ist nicht nur Autor, sondern auch Dolmetscher und Übersetzer. Er hat Herta Müllers "Atemschaukel" ins Arabische übersetzt, da lag nur das Manuskript beim Hanser-Verlag vor, da war die zierliche Deutsche noch nicht Nobelpreisträgerin. "Das war ein schweres Stück Arbeit", sagt Nader. Er hat drei Monate intensiv an dem Buch, auch an der Person Herta Müller gearbeitet. "Wenn man Literatur übersetzt, muss man den Autor verstehen, sein Ansinnen. Nur so kann man die Seele hinter seinem Text finden." Weil Nader selber schriftstellerisch tätig sei, könne er Müller und ihre poetische Sprache besser verstehen, meint der Magdeburger. Müllers Wortschöpfungen sind in keinem Wörterbuch zu finden.

Derzeit arbeitet er an der Übersetzung für "Der König verneigt sich und tötet", ein weiteres Buch der so poetisch schreibenden Herta Müller. Zur Buchmesse in Kairo, die Mitte Januar 2011, beginnt soll es auf den arabischen Markt kommen.

Aber längst denkt Nader wieder ans Aufschreiben der eigenen Gedanken. "Das macht mehr Spaß", gibt er zu. Er will eine Erzählung in Angriff nehmen. Und zwischendurch Dozentenarbeit, Seminarleitungen und vielleicht auch wieder eine Touristenführung. Nader ist Stadtführer und erklärt Auswärtigen die Geschichte Magdeburgs – natürlich auf Arabisch.