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Szenen einer Eiszeit: Im 17. Jahrhundert war die Winterlandschaft eines der beliebtesten Genres Als Rembrandt Schlittschuh lief

10.01.2011, 04:27

Der derzeitige Winter ist nichts im Vergleich zu früher. Im 17. Jahrhundert war Europa im Griff einer Kleinen Eiszeit und versank jedes Jahr im Schnee. Das spiegelte sich auch in der Kunst: Viele Maler spezialisierten sich auf Wintermotive.

Von Christoph Driessen

Berlin (dpa). Von etwa 1500 bis 1850 erlebte Europa eine Kleine Eiszeit. Damals war es im Durchschnitt zwei Grad kälter als heute, der erste Schnee fiel oft schon im November. Am kältesten war die Zeit um 1600. Wie es damals im Winter aussah, kann man sich in fast jeder Gemäldegalerie alter Meister ansehen. Denn im 17. Jahrhundert war die Winterlandschaft eines der beliebtesten Genres.

Die Zeitgenossen von Shakespeare, Wallenstein und Galilei mussten sich warm anziehen. Schnee war jedes Jahr garantiert, oft konnten die Londoner auf der Themse einen Frost-Jahrmarkt abhalten. 1608 und 1621 war sogar das Wattenmeer mit einer so dicken Eisschicht bedeckt, dass man per Pferdeschlitten zu den friesischen Inseln fahren konnte.

Viele Leute liebten dieses Eisvergnügen unter der blassen Wintersonne so sehr, dass sie auch im Sommer daran erinnert werden wollten. Sie kauften sich Gemälde und kolorierte Zeichnungen, auf denen das Treiben dargestellt war. Dutzende Maler aus Holland und Flandern lieferten solche Werke, manche waren darauf spezialisiert und malten ihr Leben lang nichts anderes als Schneebilder. Deshalb hängen die Museen heute voll davon, auch die deutschen. Schöne Beispiele findet man zum Beispiel in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden und in der Gemäldegalerie Berlin.

Als Begründer des Genres gilt Pieter Brueghel, der 1565 die "Jäger im Schnee" schuf, das erste Winterbild überhaupt. Es war damals hochaktuell, denn der Winter 1564/65 war der kälteste seit Menschengedenken.

Der berühmteste Wintermaler ist Hendrick Avercamp (1585-1634), der fast sein ganzes Leben in der abgelegenen kleinen Hansestadt Kampen an der Zuiderzee, dem heutigen Ijsselmeer, verbrachte und deshalb zunächst wenig Beachtung fand. Dass er taubstumm war, hat seine Beobachtungsgabe vermutlich zusätzlich geschärft. Seine Winterlandschaften voller Frostfigürchen gehören heute im Museum zu den beliebtesten Bildern überhaupt.

Die erstarrte, geräuschlose Landschaft wurde in Holland und Flandern, aber auch in weiten Teilen Deutschlands jeden Tag von Tausenden Schlittschuhläufern bevölkert. Dieser Sport war so verbreitet, dass es in Amsterdam eine eigene Schlittschuhmacher-Gilde gab. Auch Rembrandt (1606-1669) hat Schlittschuhläufer gemalt und gezeichnet.

Haben die Bilder auch eine Botschaft? Die Maler des 17. Jahrhunderts beschäftigten sich intensiv mit der Vergänglichkeit des Lebens. Auf unsere Zeit übertragen würde ihre Botschaft wohl lauten: Nicht so viel über fehlendes Streusalz und Verspätungen klagen, dafür ist das Leben viel zu kurz.