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Jan Weiler im Volksstimme-Interview Warum man ein Pubertier nie zu früh wecken sollte

29.04.2014, 01:17

Magdeburg l "Pubertier" nennt Jan Weiler die Gattung des einst süßen Kindes, das irgendwann zum muffeligen Teenager mutiert ist. Aus dem gleichnamigen Buch liest der Autor am 7. Mai im Moritzhof Magdeburg. Vorab sprach er mit Volksstimme-Redakteurin Elisa Sowieja.

Volksstimme: Sie bezeichnen das Pubertier als "interessantes, aber lebensgefährliches Versuchsobjekt. Als Buchvorlage diente Ihre Tochter. Spricht sie noch mit Ihnen?
Jan Weiler: Ja, ja. Sie ist ganz entspannt, weil sie weiß, dass dieses Mädchen im Buch nur zu gewissen Teilen sie ist. Es sind auch ihre Freunde, meine eigene Pubertät und Nachbars Pubertäten.

Volksstimme: Den Faulheitsvergleich mit dem sardischen Esel im August zur Mittagszeit muss sie sich also nicht zuschreiben.
Weiler: Das sollte sie zwar, tut sie aber nicht.

Volksstimme: Welche drei Dinge sollte man beim Pubertier tunlichst vermeiden?
Weiler: Zu früh wecken, zu ausdauernd kritisieren und lachen, wenn es schimpft. Sonst droht brutale Übellaunigkeit.

Volksstimme: Und die äußert sich besonders ...
Weiler: ... darin, dass es ungnädig, ungerecht und laut ist.

Volksstimme: Da haben Sie als Versuchsleiter sicher gelitten.
Weiler: Natürlich. Ich habe die Versuchsleitung auch schon sporadisch an meine Frau abgegeben. Hier und da leidet man sehr, aber auf der anderen Seite sind die Pubertiere auch reizende Geschöpfe. Sie machen Komplimente, sind sehr nett, geben sich viel Mühe mit Geschenken. Das ist immer ambivalent: Auf der einen Seite das Schwierige, aber auf der anderen Seite merkt man zwischendurch, dass es ganz sagenhaft tolle Erwachsene werden.

Volksstimme: Was muss man tun, um das reizende Geschöpf im Pubertier herauszukitzeln?
Weiler: Das kann man nicht beeinflussen. Pubertiere reagieren manchmal auf blöde Witze sehr albern, manchmal aber auch extrem genervt. Genausogut kann man sie durch reine Freundlichkeit nicht unbedingt gewinnen. Aber Geduld zahlt sich aus.

Volksstimme: Und irgendwann muss es ja besser werden. Sie schlagen heute sicher auch nicht mehr wild um sich, wenn Ihre Frau Sie weckt.
Weiler: So ist es. Der gute Kern ist schon jetzt in ihnen drin. Man muss nur etwas Geduld haben. Und vor allen Dingen muss man sich immer an seine eigene Pubertät erinnern - an die Niederlagen, die Kümmernisse und die Traurigkeit, die damit verbunden war. Dann versteht man sie wieder ganz gut.

Volksstimme: Für den Roman "Maria, ihm schmeckt\'s nicht" diente Ihnen mit dem Schwiegervater schon einmal ein Familienmitglied als Vorlage. Was reizt Sie daran?
Weiler: Das hat sich diesmal einfach so ergeben. Die Pubertier-Geschichten stammen aus meiner Kolumne "Mein Leben als Mensch". Damals, als ich damit angefangen habe, sagten die Auftraggeber: Erzähl einfach, worauf du Lust hast. Dann erzählt man natürlich von seiner engeren Umgebung. Dahinter steckte also kein Plan oder großes Konzept.

Volksstimme: Haben Sie bei anderen Verwandten schon Verhaltensweisen entdeckt, über die Sie vielleicht als nächstes schreiben?
Weiler: Ja, das ist aber immer so. Ich gucke den ganzen Tag lang, ob ich irgendetwas von dem, was ich erlebe oder sehe, brauchen kann. Das mache ich auch jetzt bei Ihnen. Sogar, wenn mir Freunde beim Essen etwas erzählen, findet das vielleicht irgendwann mal bruchstückhaft oder leicht verändert Eingang in eine Geschichte.

Volksstimme: Dann sollte ich wohl künftig genau lesen, was Sie so schreiben - für den Fall, dass ich irgendwo auftauche.
Weiler: Genau!

Am 6. Mai liest Jan Weiler in Gardelegen im Schützenhaus und am 7. Mai im Magdeburger Moritzhof (jeweils 20 Uhr).