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Musical "Evita" von Andrew Lloyd Webber feiert vor 500 Gästen Premiere am Bergtheater Thale Weniger Sozialkritik, mehr großes Musiktheater

Von Hans Walter 23.06.2014, 01:50

Thale l Am Sonnabend erlebte das Musical "Evita" seine Premiere im Bergtheater Thale. Eine frische Inszenierung von Holger Potocki für das Nordharzer Städtebundtheater.

Auf den Tag genau 36 Jahre nach der Uraufführung im Londoner Westend erschien "Evita" von Andrew Lloyd Webber nun auf der "Grünen Bühne des Harzes". Potocki und sein Ausstatter Bernhard Niechotz bewältigten die Aufgabe mit Konzentration auf das Wesentliche dieses eminent politischen Stückes, mit einer Vielzahl aussagekräftiger Kostüme, mit weiten Figurentableaus von Chor, Verstärkungschor, Ballett und Statisterie und mit hinreißendem Orchestereinsatz. Die etwa 500 Premierengäste spendeten sieben Minuten lang stehende Ovationen. Insbesondere galt er Regina Pätzer (Evita), Ingo Wasikowski (Che) und Klaus-Uwe Rein (Perón), dem Ensemble und seinen Ankleiderinnen. Und den beiden "musikalischen Köpfen" Jan Rozehnal (Choreinstudierung) und dem Dirigenten Michael Korth sowie der Choreografin Gabriella Gilardi.

Erzählt wird der Aufstieg der Sängerin Eva Duarte aus Junín (1919-1952) zu Argentiniens First Lady, zum revolutionären "Engel der Armen" bis zum frühen Tod. Vom Straßenfähnchen zur Pelzrobe - ihr Leben vollzieht sich vor den Mikrofonen. Rigoros räumt sie alles ab, was ihren Zielen entgegensteht. Sie verlässt ehemalige Freunde und Förderer, sie bricht den Einfluss von Adel und Militär, der repressive Perónismus ist ohne ihren Glamour nicht denkbar.

Die Pätzer gibt ihr anrührende Momente. Sie zeigt die Härte dieser Frau ebenso wie die Zartheit. "Wein` nicht um mich, Argentinien" ist ihre mehrfach variierte Hymne; "Ich spiele meine Rolle nicht, wie es euch gefällt" zeigt ihr Anderssein.

Wasikowski ist ihr fiktiver kritischer Beobachter. Nach seinem Macheath in der "Dreigroschenoper" eine weitere Paraderolle für den Sänger. Der Seitenstrang um ein von Che gefundenes neues Insektizid ist in dieser Zwei-Stunden-Aufführung gestrichen; man vermisst ihn nicht. Er geht durchs Publikum, er kommentiert mit wacher Distanz die Biografie der Evita Perón. Von "Was für ein Zirkus" bis zu "Evas letzter Rundfunkansprache" teilt sich seine Sicht den Zuschauern mit. Die Bauern im Land schwitzen Blut, Argentinien verarmt ...

"Evita" lohnt den Besuch. Weniger als sozialkritisches Geschichtsstück, sondern weil es großes Musiktheater ist!