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Spiegel-Bestsellerliste Wenn das Renate wüsste ...

Deutschlands bekannteste Online-Omi Renate Bergmann (82) erklimmt seit ihrem Outing als Torsten Rohde (39) mit ihrem Buch "Ich bin nicht süß, ich hab nur Zucker" die Spiegel-Bestsellerliste in der Rubrik Taschenbücher.

Von Simone Pötschke 28.07.2014, 03:28

Genthin l Große Medien arbeiten sich an ihm ab, seit am 1. Juli sein erstes Buch unter dem Pseudonym Renate Bergmann erschienen ist. Mittlerweile wird er für Fernsehauftritte gecoacht, Fotografen der ersten Riege porträtieren ihn. Denn Torsten Rohde ist so etwas wie der Till Eulenspiegel der sozialen Netzwerke im Internet.

Alles sei nur eine ganz verrückte Idee gewesen, die bei einer familiären Weihnachtsfeier im vergangenen Jahr geboren wurde, erklärt der Genthiner.

Ich muss heute mal auf die Friedhöfe und wenigstens harken. "Den Männern immer die Haare kämmen", wie Gertrud immer sagt. - Renate Bergmann twittert

Ein Account unter den Namen Renate Bergmann verhalf dem Spaß zum Durchbruch, so dass die Twitter-Oma online ging und ein sagenhaftes Echo auf sie einprasselte. Vermutlich wäre Torsten Rohde, studierter Betriebswirt, sogar der Lieblingsenkel einer Frau wie Renate Bergmann (82). Als Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfache Witwe hält sie ganz Deutschland liebenswürdig zum Narren und erobert jetzt die deutsche Literaturwelt.

Renate Bergmann hat 22.000-Twitter-Follower

Die Wahl seines Sujets fiel dem Autor vermutlich völlig unkompliziert zu. "Meine vier Uromas, die ich noch erleben durfte, waren mir sicherlich hilfreich, die Menschheit mit flotten Sprüchen und Lebensweisheiten einer alten Dame zu beglücken", gesteht der Autor mit einer gewissen Dankbarkeit.

Über 22.000 Follower erlagen auf Twitter bis zum Outing dem knorrigen Charme von Renate Bergmann, hinter der sich ein sportlich braungebrannter, modebewusster Marathonläufer verbirgt. "Es war vielleicht ein wenig naiv", beschreibt Torsten Rohde seinen Sprung von der realen in die virtuelle Welt der Renate Bergmann mit Stützstrümpfen, Rollatoren und verschiedenen Ehemännern.

Trotzdem sind ihm bis jetzt die Sprüche und Pointen, die stets in 140 Zeichen gegossen und dann auf die Datenautobahn geschickt werden, nicht ausgegangen. Ganz spontan habe er dann aus der Situation heraus das Handy gezückt, egal, ob beim Friseur, beim Arztbesuch oder beim Lauf auf seinen Strecken rund um Genthin.

Spiegelbild einer modernen Seniorengeneration

Später, für das Buch, wurden die Twitter-Meldungen in 34 kleine Episoden zwischen beschaulichem Rentnerdasein und Cyberspace eingebettet, in denen die Twitter-Oma allen noch einmal richtig die Welt erklärt. "Für mich war es wichtig, solche Situationen darzustellen, die viele Menschen nachvollziehen können", erklärt der Autor. Renate Bergmann bietet ein amüsentes Spiegelbild einer aktiven, liebenswürdigen und modernen Seniorengeneration. Rohde macht es kurz: "Ich wünschte mir, so zu werden wie Renate Bergmann."

Torsten Rohde wurde eine Schriftstellerlaufbahn nicht in die Wiege gelegt. Zwar habe er seine Begabung für das Schreiben schon in der Schule entdeckt, doch erst wollte er etwas Ernsthaftes, eben Betriebswirtschaft, studieren. Seinen Erfolg betrachtet er als eine Reise. Jetzt wolle er sehen, was kommt. Lesungen gehören zu Rohdes/Bergmanns nächsten Plänen. Mit seinem plötzlichen Ruhm müsse er allerdings noch lernen umzugehen. "Blutdruck 190 vor einer Fernsehaufzeichnung. Mann o Mann", wenn das Renate wüsste.

Manchmal sehe ich Kinder und denke so bei mir: "Ja Renate, immer gelingen sie eben nicht." - Renate Bergmann twittert

Bei einem Kaffeekränzchen seiner stolzen Oma jüngst musste Rohde sein Buch verständlicherweise signieren. "Das war mir irgendwie peinlich", hadert der Literatur-Neueinsteiger.