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Wernigeröder Schlossfestspiele Es war einmal in Amerika

Die 19. Wernigeröder Schlossfestspiele gingen am Wochenende mit der "Last Night" des Philharmonischen Kammerorchesters zu Ende. Bis dahin absolvierte es einen mit 25 Konzerten und Opernaufführungen abwechslungsreichen Parcours um die Ausstellung "Pomp And Circumstance. Das deutsche Kaiserreich und die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg".

Von Hans Walter 01.09.2014, 01:28

Wernigerode l Es gibt keine Musik ohne Stille. Die Weisheit dieses Satzes wurde im Konzert zum Erlebnis. Musikdirektor Christian Fitzner hatte mit Kompositionen aus den USA, ergänzt durch einige Werke der Europäer Debussy und Elgar, die große Musiktradition dieser musikalischen Weltmacht erstmals in den Mittelpunkt der "Last Night" gerückt.

Musik mit Stille. Das galt für Ennio Morricones Filmmusik zu "Es war einmal in Amerika". Für Fitzner kommt der Komponist gleich hinter Beethoven und Mozart. Ähnlich sieht es wohl sein 1. Bassist Andreas Nettels, der die zwei sinfonischen Orchester-Arrangements zu diesem wehmütigen Gangster-Epos von Regisseur Sergio Leone schrieb: "Poverty" (Armut) und "Amapola" (Mohnblume). Zwei traumhaft schöne Nachklänge auf die Jugend, als das Leben noch offen vor einem lag und alles möglich schien. Im Guten wie im Bösen. Fitzner machte mit dem Kammerorchester die kunstvoll verwobene, große philosophische Dimension dieser Musik deutlich. Bravo!

Das gilt auch für die zauberhafte Leichtigkeit und Transparenz der schwebenden Klänge von Claude Debussy (1862-1918). Andreas Nettels arrangierte die für Klavier geschriebenen Präludien "Voiles" (Schleier oder Segel) und "Le vent dans la pleine" (Der Wind tanzt in der Ebene) für das Orchester. Auch das war eine Musik der Stille. Ein Streicheln für die Seele.

Zur Verstärkung hatte sich Orchesterchef Fitzner die stimmgewaltigen Solisten Nina-Maria Fischer (Sopran) und den Bariton Timothy Sharp sowie einen fast 60-köpfigen Chor erstmals in die "Last Night" geholt - die Singakademie Harz aus Osterode unter Leitung von José V. Lopez de Vergara. Sie sang acht der zehn um 1950 ursprünglich für einen Tenor und Piano geschriebenen "Old American Songs" von Aaron Copland (1900-1990). Um 1960 setzte sich die chorsinfonische Form durch. Besonders im fünften Kinderlied "I Bought Me A Cat" (Ich kaufte mir eine Katze) kam es zu lebendiger Interpretation durch den Chor.

George Gershwin (1898-1937) mit der konzertanten Südstaaten-Oper "Porgy And Bess" und Leonard Bernstein (1918-1990) mit den Tänzen aus dem Musical "Westside Story" durften in diesem Konzert der amerikanischen Großmeister nicht fehlen. Die Arien und Chöre "Summertime", "Bess, You Is My Woman Now", "It Ain`t Necessarily So" und "O Lord, I`m On My Way" waren ebenso eine glanzvolle Verquickung von Jazz und Kunstmusik wie die "Westside"-Tänze. Sie erzählten auf ganz eigene Weise Geschichten vom konfliktvollen Zusammenleben der Ethnien in den USA.

Wie aktuell Bernsteins 1957 entstandenes Musical mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jets und Sharks noch ist, zeigt sich in den jüngsten Rassenunruhen und Straßenschlachten um den von einem weißen Polizisten erschossenen schwarzen Jugendlichen Michael Brown in Missouri. Manche Geschichte wiederholt sich in beklemmender Weise...

Zum Abschluss erklang - wie alle Jahre zuvor - Edward Elgars Marsch Nr. 4 aus "Pomp And Circumstance" mit großem Chor. Pracht und die Umstände. Elgars Musik und die opulente Sonderausstellung auf Schloss Wernigerode korrespondieren in schönster Weise. Und es gab eine kleine, leise Zugabe - das Klavierthema der Filmmusik von Alan Silvestri aus "Forrest Gump". Ein schöner Ausklang!