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Angelica Böhm bekommt Preis für Szenografie Eine Architektin für den Film

Angelica Böhm inszeniert den Raum eines Filmes. Die Szenografin erhält anlässlich der Filmkunsttage den Filmkunstpreis Sachsen-Anhalt/Spezial. In ihrer Ausstellung in Magdeburg sprach Grit Warnat mit ihr über ihre Arbeit.

11.10.2014, 01:08

Frau Professor Böhm, jeder schaut Filme, wir achten auf Schauspieler, aber wir achten nur unterbewusst auf das Szenenbild, dabei gibt es der Handlung den wichtigen Spielraum. Ärgert Sie das?
Angelica Böhm: Es ist schade. Besonders in Deutschland gibt es kaum ein Bewusstsein für unsere Arbeit. In Frankreich beispielsweise ist das ganz anders. Dort lieben sie ihre Décors, ihre Ausstatter. Im Englischen heißt es Production Designer, auch dort gibt es eine größere Wertschätzung. Und in England und Amerika sind Szenografen Stars, die verehrt werden. Die Production Designer in Amerika bekommen Oscars. Das wird in den deutschen Medien ebenso wenig wahrgenommen wie der Deutsche Filmpreis für Szenografie.

Szenografen sind Bühnenbildner?
Wir machen das, was der Bühnenbildner am Theater macht. Nur dort liegt es durch die Abstraktion stärker auf der Hand, dass die Räume die Handlung und die Charaktere unterstützen. Der Begriff Szenograf ist nicht glücklich. Filmarchitekt wäre verständlicher, umfasst aber auch nicht alles, was wir machen:

Sie gehören zu den Ersten, die das Drehbuch haben?
Ja. Für mich entsteht mit dem Drehbuch eine erste Vision für den Stil des Filmes: Ich erahne eine Landschaft bzw. einen Raum, ich erspüre, in welchen Farben und in was für einer Art von Räumlichkeiten ich den Film sehe. Mein Part ist die erste Bildererzeugung für einen Film. Und ich bin fast schon am Gehen, wenn die erste Kamera kommt.

Wie lange im Vorfeld beginnt Ihre Arbeit?
Bei einem "Tatort" reichen mir vier, fünf Wochen, der Locationscout fängt meist etwas früher an. Aber bei ausstattungslastigen Filmen muss viel erfunden werden, weil man nichts vorfindet, wie man es braucht. Ein halbes Jahr, ein Jahr vor den eigentlichen Filmarbeiten beginnt in solchem Fall meine Arbeit. Ich war beispielsweise für "Doktor Proktors Pupspulver" zwei Monate in Oslo, um die norwegische Architektur und Lebensweise zu erleben. Man wird mit jedem Film zum Spezialisten für etwas anderes. Für "Winnetous Sohn" habe ich natürlich Karl May gelesen. Jeder Film hat seine eigenen Faszinationen.

Sie haben "Sushi in Suhl" in den richtigen Raum gesetzt. Kannten Sie das Restaurant?
Ich kannte es nur vom Erzählen. Ich muste viel recherchieren, auch zur DDR und zu Tokio der damaligen Zeit. Letztlich war ich froh, einen japanischen Studenten an meiner Seite zu haben, der mich beraten hat, die Spruchbänder geschrieben und Badetaschen angefertigt hat.

Wie eng arbeiten Sie mit dem Regisseur zusammen?
Ich erarbeite einen Vorschlag, den ich in engster Zusammenarbeit mit dem Regisseur abstimme. Er muss seine Inszenierung ja in den von mir gedachten Räumen umsetzen können. Wir müssen harmonisieren.

Sind Sie ein Teamplayer?
Früher habe ich mich in der Bildhauerei probiert, arbeitete einsam in meinem Atelier. Beim Film hingegen läuft alles interdisziplinär ab, man ist ein Team, die Energien von vielen kreativen Menschen bündeln sich. Meine Arbeit nimmt eine bestimmte Richtung, weil man den Ball hin und her spielt. Mit einem anderen Regisseur würde ich auch zu anderen Ergebnissen kommen. Ich finde es großartig, wie man mit gemeinsamer Arbeit das Drehbuch weiterentwickelt.

Die Filmkunsttage widmen Ihnen eine kleine Ausstellung. Ist Magdeburg Ihre Ausstellungspremiere?
Ja. Ich hatte schon einmal an einer Gruppenausstellung teilgenommen. Das war nach "Sushi in Suhl", als in Erfurt alle Departments gezeigt haben, was sie draufhaben. Szenografieausstellungen sind eher ungewöhnlich. Die Sachen, die ich mache, sind ja nur Zwischenprodukte für das Finale, für den Film. Ich finde es gut, zum Beispiel meine Zeichnungen zum Baum für "Winnetous Sohn" zeigen zu können, der draußen vor der Ausstellung auch aufgebaut wurde.

Für "Doktor Proktors Pupspulver" nach dem gleichnamigen Roman von Jo Nesbo sind Fotos von fantastischen Bauten zu sehen. Sie sind sehr fantasiereich.
Das muss man als Szenograf sein. Ein Entwurf zeigt ein Haus, das digital erweitert wurde. Man wird es im Film so nicht sehen, weil es dem Rotstift zum Opfer gefallen ist. Auch das gehört zu unserem Beruf.

Wie empfinden Sie, wenn Sie im Kino einen Film mit ihren Szenenbildern anschauen?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt sehr überraschende Momente, wenn Regie und Kamera sehr schön rüberbringen, was ich mir ausgedacht habe. Es gibt aber auch Momente, da sage ich, das wollte ich eigentlich ganz anders haben.

Hat die Szenografin Böhm einen großen Filmwunsch?
Eigentlich nicht. Mit "Doktor Proktor" bin ich mit einem Bein in der Realität und mit dem anderen im Magischen. Das macht sehr viel Spaß. Reine Fantasie oder reine Action langweilen mich, reiner Realismus auch. An der Grenze entlang bewege ich mich sehr gerne. Meine Arbeit darf nicht zu wenig mit unserem Heute zu tun haben. Sonst ist sie nicht meins.