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Musical "Über sieben Brücken" Mitklatsch-Lieder und Gänsehaut

Eine Zeitreise 25 Jahre zurück präsentierte am Sonntag das Musical "Über
sieben Brücken" in Magdeburg. Eine Liebesgeschichte zur Zeit des
Mauerfalls, eingepackt in zahlreiche Hits damaliger Ostkünstler. Das
Publikum war begeistert.

Von Birgit Ahlert 21.10.2014, 01:05

Madeburg l Ein junges Paar erträumt sein Leben von Freiheit und Selbstbestimmung und einer großen Weltreise. Für junge Leute heute in diesem Land machbar. Doch noch vor 25 Jahren ein Ding der Unmöglichkeit. Das erleben Nicole (Judith Zürcher) und Tommy (Thomas B. Franz) im Land DDR. Um sie dreht sich das Musical, das auf beiden Seiten der Mauer spielt, bis mit einem Knall die Mauer aufgeht und "Michas" Sonderzeug nach Pankow fährt.

Doch das erleben die beiden jungen Protagonisten bereits auf der anderen Seite, wohin sie auf abenteuerliche Weise gekommen sind. Das Publikum nehmen sie mit auf diese Reise.

Es entspinnt sich ein Musical mit mehr als 20 Hits aus dieser Zeit und diesem Land. Sie sind so um die Geschichte gestrickt (oder besser: die Geschichte um sie), dass man es kaum glauben mag. Oder was verbindet die "Mokka Milch Eisbar" von Thomas Natschinski mit Lippis "Erna kommt" und dem "Blauen Planeten" von Karat? Was Helga Hahnemanns "Süße" mit den "schweigenden Gittern" der Puhdys?

Wer das Musical erlebt hat, weiß es - und wer nicht, dem sei die Überraschung nicht genommen. Das Publikum im nahezu ausverkauften Magdeburger AMO jedenfalls fühlte sich gut unterhalten und stimmte bei vielen Liedern als Chor mit ein. Wobei gleich am Anfang die "Eisdame" des Magdeburgers Arnulf Wenning ein Eisbrecher gewesen sein dürfte.

Neben Tatsachen vom "Sie werden platziert!"-Schild über "Schmirgel"-Toilettenpapier geht es nicht ganz ohne Klischees. Da hat der "Westler" Micha (hervorragend: Dirk Soukup) einen riesigen Mercedes-Stern an der Halskette baumeln und die Taschen voller Geldscheine.

Doch es geht nicht um Ost-West-Konflikte, hier werden keine Mauern wieder aufgebaut, findet weder nostalgische Verklärung statt noch Auseinandersetzung mit innerdeutschem Zwiespalt. Was da auf der Bühne erlebbar wird, ist Zeitgeschichte - Erinnerungen, die das Publikum im Saal miteinander teilt, wie Lacher und Applaus zeigen.

Alte Witze kommen wieder zum Vorschein ("Da stehe ich vor dem Konsum mit leerem Beutel und frage mich: Wollte ich rein oder war ich schon drin?"), deren Wahrheitsgehalt in der jetzigen Überflussgesellschaft unwirklich erscheint.

Wegen großer Nachfrage regelmäßig auf Tournee

Es gibt aber auch Momente, die einem das Herz bis zum Hals schlagen lassen. Wenn Uniformierte im dunklen Saal "Grenzatmosphäre" schaffen beispielsweise oder wenn die Darsteller mit Kerzen demonstrieren.

Ein Musical mit Rückblicken, Humor, hervorragendem Gesang, mit Mitklatsch-Liedern und Gänsehautgefühl. Dabei überzeugen die Hauptdarsteller gesanglich wie spielerisch; ebenso Julia Lehmann als Putzfrau Erna und Torsten Ladwid, insbesondere im unterhaltsamen Gespräch mit dem Publikum.

Eine rundum gelungene Aufführung, deren Titel "Über sieben Brücken" von großer Symbolik ist, verbindet er doch Ost und West wie kein anderes Lied.

Das Musical entstand nach einer Idee des Stendaler Musikers Wolfgang Liebisch, der gleichzeitig Autor und Produzent ist. Regie führten Dirk Soukup und Florian Ziegler. Aufgeführt wurde es erstmals zur 1000-Jahr-Feier in Tangermünde. Die Nachfrage war dann so groß, dass es immer wieder aufgeführt wurde und mittlerweile regelmäßig auf Tourneen zu erleben ist. Und zwar nicht nur im Osten des Landes, auch Termine hinter dem ehemals Eisernen Vorhang stehen im Kalender.

www.ueber-sieben-bruecken.de