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Wohnzimmerkonzerte Die Saison auf 20 Quadratmeter beginnt wieder

Draußen wird es kälter und früher dunkel - da verwandelt sich in
Magdeburg manch Wohnzimmer in einen Konzertsaal. Fans der intimen
Darbietungen lieben es kuschelig.

Von Ann-Christin Schneider 01.11.2014, 01:20

Magdeburg (dpa) l Sie tanzen ausgelassen zu lateinamerikanischen Klängen, klatschen, rasseln oder singen mit. Im Schlafzimmer einer Wohnung im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld Ost spielt die Band The Shy Birds auf. Viele der 35 Gäste kennen sich gar nicht, und nur wenige waren überhaupt schon einmal vorher in der Wohnung von Gastgeberin Maria Buck. Selbst die Band kannte die Medizinstudentin vorher nur von Internetvideos.

"Es macht aber jetzt total viel Spaß. Es ist ja so eine schöne, entspannte, fröhliche Stimmung", schwärmt Buck. Sie ist Gastgeberin eines Wohnzimmerkonzerts, wie es in dieser Jahreszeit auch anderswo in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt geboten wird.

Konzert als Dankeschön fürs Couchsurfen

Bei solchen Auftritten kommen die Künstler direkt zu jemandem nach Hause. Egal ob die gute Stube, WG-Küche oder Partykeller - alle diese Räume können als Veranstaltungsort dienen. "Vor allem in Studentenstädten sind Wohnzimmerkonzerte sehr beliebt, da die alternative Musikszene dort immer sehr ausgeprägt ist", erzählt die Gründerin der Internetseite sofaconcerts.org, Marie-Lene Armingeon. Hochburgen seien Hamburg, Berlin, Heidelberg, Stuttgart, Lüneburg und München. Deutschlandweit seien über die Internetseite seit Dezember 2013 schon 450 der intimen Musik-Events organisiert worden.

Das Wohnzimmerkonzert bei Maria Buck in Magdeburg haben Philipp Kloss und Tina Breitkreutz auf die Beine gestellt. Seit 2013 vermitteln die beiden über das soziale Netzwerk Facebook Gastgeber mit Künstlern. "Eine Couchsurferin war Musikerin und bedankte sich bei Tina für die Unterkunft mit einem kleinen Konzert für etwa 30 ihrer Freunde. Diese Idee fanden wir so genial, dass wir es ausbauen wollten", sagt Kloss. In Magdeburg hätten sie damit offene Türen eingerannt.

Wohnzimmerkonzerte sind kostenlos

Buck war zuvor schon selbst in vier Wohnzimmerkonzerten und wollte jetzt auch einmal Gastgeberin sein. Der Termin passte, und den lateinamerikanischen Musikstil von "The Shy Birds" mochte sie auch. "Ich fand es immer toll, wenn es richtig eng und kuschelig war. Deswegen habe ich auch so viele über Facebook eingeladen", berichtet die Studentin.

Als die dreiköpfige Band eine halbe Stunde vor Konzertbeginn in der Wohngemeinschaft von Maria Buck ankam, war ihr etwa 20 Quadratmeter großes Schlafzimmer schon leergeräumt. Der Schreibtisch und andere kleinere Möbelstücke mussten in die anderen Zimmer der Vierer-WG ausquartiert werden, um genügend Platz für Gäste und Band zu schaffen. Nun laden ihr Bett, eine Holzbank, Stühle und verschiedene Kissen und Sitzunterlagen auf dem Boden zum entspannten Beisammensein ein. Kerzenschein trägt zur heimeligen Stimmung bei.

Wohnzimmerkonzerte sind für die Beteiligten kostenlos. Künstler aus aller Welt und unterschiedlichster Genres wollen so bekannter werden. Sie schätzten, dass sie aus der bisherigen Anonymität zu jemandem werden, den man persönlich kennenlernen kann, sagt Organisator Kloss, während er beim Aufbau des Schlagzeuges und der Mikrofone mithilft. "Es ist eben familiärer, wenn man die Couch gegen die große Bühne eintauscht."

Jeder kann Wohnzimmerkonzerte veranstalten

Die Gäste sitzen derweil gemütlich auf Bett oder Boden, trinken leger aus Bier- oder Weinflaschen, nicken oder wippen im Takt der Sambaklänge mit. Sie sind etwa Mitte zwanzig. Auch eine Nachbarin ist gekommen. Maria Buck hatte mit einem Zettel an der Haustür Nachbarn vorgewarnt, dass es etwas lauter werden könnte. Auch das internationale Trio um Frontmann Daniel Ondaro ist angetan. "Wir sind zum zweiten Mal dabei, und es ist toll, neue Leute und Wohnungen kennenzulernen", sagt der Amerikaner.

Probleme, Künstler für die Idee zu begeistern, gab es laut Kloss nie. "Wir suchen immer nur nach Gastgebern, denn viele gehen zwar gerne hin, sagen dann aber, dass bei ihnen zu wenig Platz sei." Für Marie-Lene Armingeon von sofaconcerts.org sind das faule Ausreden: "Jeder kann Wohnzimmerkonzerte veranstalten und wird danach begeistert sein. Deswegen spüren wir auch deutschlandweit keine Sättigung."