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Hengstmanns Kabarettprogramm Eine neue Ära der Bissigkeit

Zur Ideenfindung hatten sich die Kabarettbrüder Sebastian und Tobias vom Magdeburger Kabarett "...nach Hengstmanns" in eine einsame Hütte in den Bergen zurückgezogen. Herausgekommen ist dabei ihr 11. Programm "Mit anderen Worten" - zugleich das beste seit brüderlichem Gedenken.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 07.11.2014, 01:18

Magdeburg l Egal, ob es an der Hütte, dem fehlenden Internet oder der Bergluft lag: Das Programm "Mit anderen Worten" schwemmt wie ein kabarettistischer Tsunami Althergebrachtes einfach fort, ohne Bewährtes zu vernichten. Das Publikum war zu Recht von dieser neuen Ära des politisch- satirischen Kabaretts im Hause Hengstmann begeistert.

Das Ergebnis des eremitischen Ausflugs in die natürliche Bergwelt ist ein blitzgescheites Wortfeuerwerk von fast zwei Stunden, in das ganz geschickt - die Regie hatte Papa Frank Hengstmann - Comedy-Elemente, ja sogar Puppenspiel und natürlich Musik eingebettet sind.

Der Blick vom Gipfel der Berge auf die Niederungen der bundesdeutschen und Weltpolitik sorgt für messerscharfe Analyse politischer Inkompetenz und Selbstüberschätzung. Und den in dieser Hinsicht beiden wichtigsten Damen in Berlin, eine bekannt durch ihre drei Knöpfe, während die andere derzeit als Flinten-Uschi über die Sturmbahn der militärischen Hindernisse hetzt, gilt die Aufmerksamkeit der beiden Kabarett-Protagonisten.

Sie scheinen mehr zu wissen, als das Kanzleramt je zugeben würde, denn für sie ist völlig klar, dass die Lobbyistin für "besser verdienende Gebärmütter" im Familienministerium, im Arbeitsministerium und schließlich als Verteidigungsministerin Praktika absolviert, um irgendwann selbst die Staatsgeschicke zu leiten.

Sebastian und Tobias Hengstmann graben nach Uschis Odyssee durch die Ressorts in der verbrannten Erde, die sie überall hinterlassen hat. Dabei verirren sie sich grandios komödiantisch auf Nebenkriegsschauplätzen, um schließlich immer wieder bei der militanten Schlüsselfigur mit den schussbereiten Ambitionen auf den Kanzlerinnensessel zu landen. Musikalisch umrahmt findet dann tatsächlich mit zwei Puppen, Angela und Uschi, die Amtsübergabe statt. Was woanders als Verschwörungstheorie gehandelt wird, scheint bei den Kabarettisten verfügbares Wissen zu sein.

Die Texte glänzen durch Wortwitz, Komik und genau jene Bissigkeit, die Kabarett zum Vergnügen macht. Sie spielen sich die satirischen Bälle zu, erklären Zusammenhänge "mit anderen Worten" so, dass hinter Worthülsen und sprachlichen Pirouetten plötzlich die "ungeschminkte Wahrheit" ans Licht drängt.

Köstlich sind dabei die immer wieder eingeschobenen Stammtisch-Sequenzen, ob im bayerischen, hessischen oder rheinischen Dialekt, die komplexe Zusammenhänge kurz und knapp auf den Punkt bringen. Alle bekommen dabei ihr Fett weg, wenn es beispielsweise "wer hat uns verraten - die Grünen mit Granaten" heißt, die familienfreundliche Armee dank Teilzeit "mitten in der schönsten Ballerei" abbrechen muss, oder mit einem Wutausbruch nach dem größten Erfinder aller Zeiten gesucht wird. Der entpuppt sich dann als derjenige, der den Plastenippel entwickelt hat, der dafür sorgt, dass genau einen Tag nach der Garantiezeit allerlei Gerät den Geist aufgibt.

Doch auch die Zuschauer, die dem Auftritt bewährter Kultfiguren wie Malte und Matze entgegenfiebern, kommen auf ihre Kosten. Glänzende Unterhaltung - mit anderen Worten: Das darf man auf keinen Fall verpassen!

Nächste Vorstellungen am 7., 8. und 9. November