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Magdeburgischen Philharmonie Ein fast vergessener Romantiker

Beim ersten Sinfoniekonzert im neuen Jahr präsentierte die Magdeburgische Philharmonie dem Publikum den Komponisten Hermann Goetz und seine ebenso klassisch-durchsichtige wie lyrische Musik.

Von Ulrike Löhr 31.01.2015, 01:19

Magdeburg l Das pralle Konzertprogramm hatte Generalmusikdirektor Kimbo Ishii mit einem fast vergessenen Romantiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts gespickt. Neben berühmten Werken von Bizet, Ravel und Debussy erklang das 2. Klavierkonzert B-Dur op.18 des in den letzten Jahren erst aus der Vergessenheit geholten aber nicht minder interessanten Brahms-Zeitgenossen Hermann Goetz. Damit gab es ein Wiederhören mit dem italienischen Pianisten Davide Cabassi, der 2013 mit Brahms in Magdeburg debütiert hatte. Seinerzeit fruchtete die musikalische Zusammenarbeit zwischen Cabassi und Ishii so, dass diese in einem gemeinsamen CD-Projekt mit beiden Klavierkonzerten von Hermann Goetz gipfelte.

Nach der CD-Produktion im Sommer 2014 erhielt nun das Magdeburger Publikum auch live die Möglichkeit, diesen Komponisten und seine klassisch-durchsichtige wie lyrische Musik kennenzulernen - und war begeistert.

Daran hatte Solist Davide Cabassi einen entscheidenden Anteil. Er ist interpretatorisch versiert und erspürte voller Spaß und Respekt den ausgereiften Charakter des Werkes.

Der nur 36 Jahre alt gewordene Goetz hatte in Berlin studiert, seinen Kompositionsstil ließ er von den Einflüssen prägen, die Mozart, Mendelssohn und Schumann bei ihm hinterließen. Seine Musik ist virtuos auf eine subtilere Weise als die übliche "Zurschaustellung" technischer Schwierigkeiten.

Unprätentiös stellte sich Cabassi darauf vortrefflich ein. Hier ein Wonnelächeln, da geschlossene Augen vor Romantik und dort gezielte Konzentration. Technisch über den Dingen stehend musizierte er mit den Musikerkollegen der Philharmonie aufs Engste. Die motivisch-thematische Verwobenheit hielt auch die kunstvolle Solo-Kadenz im ersten Satz nicht auf im fortlaufenden Fluss aller drei Sätze zu einem abgerundeten einheitlichen Kunstwerk. Cabassi gestaltete eine begeisternd differenzierte Dynamik mit dem sehr wachen Orchester, deckte die lichten Orchestrierungen mit Soli von Hörnern, Klarinetten, Oboen und Celli nie zu, hatte einen wunderbaren weichen und trotzdem energischen Anschlag, durchgehend schwungvoll, auch zerbrechlich, zart-lyrisch romantisch.

Das faszinierte Publikum dankte dem offenherzigen Musik-Poeten mit rhythmischem Applaus. Die noch 2015 beim Klassik-Label Naxos erscheinende CD mit beiden Klavierkonzerten von Hermann Goetz, eingespielt von Cabassi und der Magdeburgischen Philharmonie, sei jetzt schon ein Tipp.

Ergänzt wurde dieser inspirierende Konzertabend durch drei bedeutende französische Orchesterwerke. Mit fedrig leichten und sensiblen Tempigestaltungen zeigte die Magdeburgische Philharmonie Lebenslust und Emotionen bei den sinfonischen Auszügen aus den "Carmen"- Suiten 1 und 2 von Georges Bizet. Mit "La Mer" von Claude Debussy ein Spiel von Charakteren, das Meer beschreibend, das Spiel der Wellen oder ein Dialog zwischen Wind und Meer in bezaubernder Dynamik. Hier war eine unwahrscheinlich homogene Philharmonie zu erleben. Dicht beieinander im Musizieren, und doch im Einzelnen so virtuos.

Ob geschlossene Streicher (endlich mit acht Celli), wunderbaren Fagottunisoni, interessante Hörnerklanggebilde mit sensiblen Blechkollegen, toll disponierten Holzbläsern, Harfen, Klarinetten- und vor allem Oboen- und Flötensoli sowie schließlich mit acht Schlagwerkern - Kimbo Ishii brachte die hingebungsvolle Gestaltungsvielfalt des Orchesters zutage. Insofern feierte er selbst nach Maurice Ravels "Daphnis et Chloé"-Ballett-Suite Nr. 2 nicht nur die Soloflöte, sondern dankbar sein Orchester. Das Publikum dokumentierte es mit Trampelapplaus. Zu Recht!