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Harzer Städtebundtheater/Kammerorchester Wernigerode Starke Frauen überzeugen bei Halberstädter Domfestspielen

Von Hans Walter 09.06.2015, 01:23

Halberstadt l "Starke Frauen - Komponistinnen der Romantik" lockten am Sonntag zu einem erlesenen Konzert des Orchesters des Nordharzer Städtebundtheaters und des Philharmonischen Kammerorchesters Wernigerode zu den diesjährigen Domfestspielen in das gotische Gotteshaus zu Halberstadt.

Unter Leitung von Musikdirektor Johannes Rieger erklangen Werke von Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847), Emilie Mayer (1812-1883) und Lili Boulanger (1893-1918).

Allen gemein war nicht nur die Entstehungszeit zu verschiedenen Phasen der musikalischen Romantik in Deutschland und Frankreich, sondern auch der hochdramatische Gestus der Orchester-Stücke. Theatralik pur, erreicht durch hochkarätige Sänger-Solisten des Städtebundtheaters: die Sopranistin Nina Schubert, die Mezzosopranistin Regina Pätzer, den Tenor Tobias Amadeus Schöner und den Bass Gijs Nijkamp.

"Hero und Leander"

Das sechsseitige Programmheft von Dramaturgin Susanne Range brachte Leben und Werk der außergewöhnlichen Künstlerinnen kenntnisreich nahe. Komponieren galt noch als wesentliche Männerdomäne. Veröffentlicht wurden ihre Werke in den seltensten Fällen, so dass sie der Vergessenheit anheim fielen. Völlig zu Unrecht, wie das beifallumjubelte Konzert zeigte.

Fanny Hensel-Mendelssohn war die ältere Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy; ihr Vater förderte die außergewöhnlichen musikalischen Talente seiner Kinder. 1832 schrieb sie ihre klangschwelgerische Ouvertüre C-Dur und die dramatische Szene für Sopran und Orchester "Hero und Leander". (Im selben Jahr komponierte ihr Bruder "Die erste Walpurgisnacht".) Nina Schubert brachte das Tongemälde um das Schicksal von Hero und Leander mit feinsten Seelenregungen zum Klingen. Hoffnung und Verzweiflung, das Zucken der Blitze und Tosen des Sturms - alles wurde in der Interpretation des Orchesters und der Solistin zum aufwühlenden Erlebnis.

"Faust und Helena"

Emilie Mayers 1880 komponierte Faust-Ouvertüre schloss sich an. Sie hatte u.a. beim aus Löbejün stammenden Meister der deutschen Ballade Carl Loewe ihr kompositorisches Handwerk aufs Trefflichste erlernt und bediente von Kammermusik bis Sinfonik, vom Klavierkonzert bis zum "Rondo militaire" viele musikalische Gattungen.

Höhepunkt des Konzerts wurde das von Lili Boulanger 1913 komponierte "Faust und Helena" - die Schilderung der Wiedererweckung der Helena von Troja nach Goethes "Faust II". Gesungen wurde auf Französisch. Faust (Tobias Amadeus Schöner) unternimmt das unerhörte Wagnis. Mephisto (Gijs Nijkamp) will diese Herausforderung des Schöpfers verhindern. Es kommt zu einem intensiven Duett zwischen dem liebestrunkenen Faust und dem Phantom Helena (Regina Pätzer), bevor das Trugbild in Dissonanzen untergeht. Ein fahles Erwachen, das in stehenden Ovationen und Bravorufen für die Künstler endete.

Die symbolhafte Tonsprache der Komponistin im Geist von Strawinsky und Messiaen hatte eine unerhörte Spannung. Die Künstler griffen sie auf, füllten den riesigen Sakralraum mit ihren Stimmen und Klängen. Eine innere Dramatik, die nicht von einer Regie ausgedacht wurde, sondern aus den Interpreten und dem Werk selbst kam. Eine großartige Leistung der vereinten Orchester, ihres Chefs Johannes Rieger und der Solisten.

Pätzer, Schubert und Schöner hatten schon einmal derart expressiv auf sich aufmerksam gemacht - mit Schönbergs Liederzyklus "Dreimal sieben Melodramen des Pierrot Lunaire" und mit der Kammeroper "Rose: Rot ..." von Julian Lembke. Das war 2011. Von "Pierrot Lunaire" zu "Faust und Helena" der Boulanger führt eine direkte Verbindungslinie.