1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Gratwanderung zwischen Lehrstück und Unterhaltung

Compagnie Magdeburg 09 Gratwanderung zwischen Lehrstück und Unterhaltung

Von Klaus-Peter Voigt 16.07.2015, 00:59

Magdeburg l Die Premiere fiel im wahrsten Wortsinn ins Wasser. "Das Jahr Null" der Compagnie Magdeburg 09 kam am Dienstag, einen Tag später als geplant, in der Möllenvogtei der Landeshauptstadt zur Uraufführung. Dort wird bis zum 1. August, außer an Sonntagen, gespielt.

Zugegeben, das Sommertheaterprojekt zeigt sich mutig. Das Weihnachtsthema und die Geburt Jesu in der Jahresmitte auf die Bühne zu bringen, entspricht so gar nicht der langläufigen Meinung. Der Heilige Abend und winterliche Atmosphäre prägen das Bild jenes Ereignisses, das historische Bedeutung hat. Kaum jemand kennt noch die Wurzeln des Weihnachtsfestes. Und genau daran knüpft "Das Jahr Null" an.

Das Stück aus der Feder von Bernd Kurz Goetz unternimmt eine Gratwanderung, will Wissen vermitteln und gleichzeitig unterhalten. So entsteht eine facettenreiche Inszenierung, die auf unterschiedliche Ebenen setzt, im Wechsel zwischen Historie und Gegenwart daherkommt.

Stellenweise funktionieren die Übergänge nicht so locker und leicht, wie es sich der Betrachter wünscht. Stattliche 46 unterschiedliche Personen treten unter dem ständig präsenten Tannenbaum auf. Für die acht Darsteller eine immense Herausforderung, die sie mühelos meistern. Der schnelle Wechsel der einzelnen Szenen verlangt vom Publikum Aufmerksamkeit, ohne dass deshalb ein reines "Lehrstück" zu erleben ist.

Selbst wer weniger bibelfest ist, erfährt, wie sich die Tradition des Weihnachtsfestes über die Jahrhunderte entwickelt hat. Der Bogen spannt sich von der Geburt Jesu über Papst Silvester, der den Feiertag letztlich auf ein Datum festlegte, bis zum Coca Cola Konzern, der dem Weihnachtsmann mit rotem Mantel und weißem Bart durch seine Werbung zum weltweiten Durchbruch verhalf.

Der Autor macht den Getränkehersteller zwar fälschlicherweise zum alleinigen Erfinder des Gabenbringers und schreibt Martin Luther die Einführung des Christbaums zu, irrt damit allerdings. Schwamm drüber, dafür gibt es sehenswerte Szenen um König Herodes, die Quartiersuche von Maria und Josef, die Verkündigung der Geburt Jesu bei den Hirten.

Dialoge wie im Kabarett

Es geht keinesfalls nur ernst oder belehrend zu. Maria nutzt bereits das Handy und knipst damit ein Selfi. Deutsche Fußballfunktionäre bitten bei einer Audienz Papst Franziskus um die Verlegung des heiligen Festes, damit die Weltmeisterschaft 2022 nicht damit in Kollision gerät. Unternehmer Herbert Karnatschke kann seinen Schutzengel sehen und mit ihm sprechen, während dieser anderen verborgen bleibt.

Witzige Dialoge mit kabarettistischem Einschlag lockern auf. Vor allem die gesanglichen Leistungen von Juliane Köster, Marie Matthäus und Thomas Streipert überzeugen.

Die Musik von Christoph Deckbar kommt an, setzt auf einen Wechsel von stillen Tönen und putzmunteren rockigen Titeln, prägt den Abend maßgeblich. Gisela Begrich führte Regie und ließ dabei den Darstellern Freiraum für ihr Agieren. Die zurückhaltende Ausstattung Kristina Biedermanns legt den Schwerpunkt auf die Kostüme, die ohne viel Firlefanz für sich sprechen und farbige Akzente setzen.

Noch erwähnt sei eine schöne Form von Volkstheater. Zwei einstige Beigeordnete der Stadt Magdeburg, Rüdiger Koch und Werner Kaleschky, agieren als Bürger und die Weisen aus dem Morgenland. Ein dritter Prominenter fiel nach einem Unfall aus.

Koch und Kaleschky begründen ihren Auftritt im Stück selbst, seien trotz des Ruhestands noch gut in Schuss und gar nicht schlapp. Ihre Einlagen waren stimmig und locker, machten Freude.