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Jonathan Littell hat einen "Bericht über nichts" geschrieben Im Mittelpunkt steht keine Geschichte, sondern die Sprache

28.05.2011, 04:29

Mit "Bericht über nichts" hat der Bestseller-Autor Jonathan Littell ein nur 50 Seiten langes Buch geschrieben. Der Erzählband will ohne konkrete Geschichte auskommen und nur vom Stil des Autors leben.

Von Sabine Glaubitz

Paris (dpa). Über nichts zu schreiben ist eine Kunst, von der schon Gustave Flaubert geträumt hat. "Was mir schön erscheint und was ich machen möchte, ist ein Buch über nichts" schrieb der französische Schriftsteller 1852 in einem seiner Briefe an seine langjährige Geliebte Louise Colet. Dieser Kunst hat sich nun Jonathan Littell auf rund 50 Seiten unterzogen. "Bericht über nichts" ist ein Erzählband, der von Tagträumen handelt, von einem Pornofilm, einem blutig endenden Stierkampf und einem Nachmittag im Schwimmbad.

Was kann man über ein Buch schreiben, das in fließendem Wechsel flirrende Gedanken, Träume und Situationen aneinanderreiht? Am besten das, was der 43-jährige Autor am Schluss seines Buches festhält. "Diesem Bericht ist nichts hinzuzufügen. Ohne zu wissen, woher er kommt, kann ich nicht sagen, was er bedeutet, noch für wen er bestimmt sein könnte."

Littell hat ein Buch geschrieben, ohne konkreten Erzählgegenstand und Realitätsbezug, ohne "äußere Bindung", wie Flaubert es nannte. Der französische Schriftsteller amerikanischer Herkunft, er ist am 10. Oktober 1967 in New York geboren, lässt den Leser etwas verloren mit seinen Erlebnissen zwischen Traum und Wirklichkeit zurück. Im Mittelpunkt steht keine Geschichte, sondern die Sprache.

Mit "Bericht über nichts" hat sich der Autor, der 2006 für seinen zweiten Roman "Die Wohlgesinnten" mit dem französischen Literaturpreis Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, an eine literarische Meisterübung gewagt: So zu schreiben, dass sich das Buch nur durch den Stil trägt oder wie Flaubert schrieb "so wie die Erde sich in der Luft hält, ohne gestützt zu werden".

Während die Sätze und Assoziationen auf den ersten Seiten noch schleppend und fragmentiert wirken, gewinnen sie gegen Ende hin an Kraft. Sie werden geschliffener und poetischer.

"Im Idealfall hätte ich mir gewünscht, dass er (der Bericht) den Geschmack eines grünen Zitroneneises gehabt hätte, frisch, leicht, säuerlich, verspeist am Rande eines großen Schwimmbeckens, in dessen klares Wasser die Badenden eintauchen wie in die Härte des Lebens, ohne einen Blick zurück", schreibt Littell auf der letzten Seite. Spätestens an dieser Stelle wünscht man sich, dass der Autor seinen Erzählband weitergeschrieben hätte.

Jonathan Littell: Bericht über nichts, Matthes Seitz Berlin, 50 Seiten, 12,90 Euro, ISBN 978-388-221614-1