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Shakespeare-Komödie in Magdeburg Ein Sommernachtstraum auf blauen Turnmatten

Von Caroline Vongries 30.05.2011, 04:44

Mit dem Shakespeare-Klassiker zeigt das Schauspielhaus Magdeburg eine Inszenierung des Regisseurs Ronny Jakubaschk, der in Basel, Frankfurt und Berlin eher mit zeitgenössischen Stücken von sich reden macht.

Magdeburg. Das Leben, eine Turnübung, die Liebe, ein Match? In der ersten hiesigen Inszenierung des Regisseurs Ronny Jakubaschk weckt bereits die Ausstattung (Tom Musch) solcherart Assoziationen: Lauter weiche, blaue Turnmatten sind der Stoff, aus dem die Welt der Promis in Athen gebaut ist. Dort hat der mit allen Wassern der Macht gewaschene Regierungschef Theseus das Sagen. Und ein sich mittels Halskrause und Aktenkoffer aufrecht haltender Vater wie Egeus, der auf das Recht pocht, seiner Tochter Hermia den falschen Mann, Demetrius, aufzwingen zu dürfen anstatt des von ihr bevorzugten Lysander.

Als körperlicher Akt manifestiert sich die Willensanstrengung des rebellischen Liebespaares: Hermia und Lysander rennen solange gegen die blaue Turnmattenwand an, bis ein Stück herausbricht und dahinter eine andere Wirklichkeit sichtbar wird: der Wald, das Reich der Elfen. Dorthin folgen ihnen Demetrius, der nicht auf die ihm versprochene Hermia verzichten will, und deren beste Freundin Helena, die wiederum Demetrius verfallen ist. Emotionale Konstellationen und Konstruktionen, die sich im Laufe des Stückes bekanntlich noch mehrfach ändern. Eine reizvolle Idee, wie auch die allgegenwärtigen Turnmatten: den die Sinne verwirrenden Liebessaft aus der tragbaren Nebelmaschine zu produzieren.

Seit mehr als 50 Jahren gehört es nun zum guten Ton, das Elfenreich, bei Shakespeare noch ein Ort widerstreitender Naturkräfte, die versöhnt werden müssen und können, zu entzaubern und als Alptraum verdrängter (An-) Triebe im Unter- und Unbewussten des Menschen sichtbar zu machen. In diese Tradition reiht sich auch Jakubaschk ein. Allerdings zeigt er seelische Monstrositäten und Abhängigkeiten, die Menschen schlussendlich wie Puppen reagieren lassen, selbst in überspitzter Form eher beiläufig. Der Herr des Waldes, Elfenkönig Oberon ist ein Fiesling ohne jegliches Format. In Unterhemd, Boxer-Shorts und mit fortwährend vorgerecktem Unterleib lässt er keinen Zweifel ob der Richtung seiner Ambitionen aufkommen. Selbst sein Adlatus Puck überragt ihn trotz lächerlicher Ausstaffierung mit Straps und Spitzenstrümpfen (muss das sein?) nicht nur an körperlicher Größe.

Die Elfenkönigin Titania, die Oberon wieder unter seine Kontrolle bringen will, hat sich ausschließlich ihrer Lust verschrieben (in ihrer Sinnlichkeit sehr überzeugend dargestellt von Babette Siezak). Wo eine ordnende Macht notwendig wäre, ist die Welt vollends korrumpiert, aus den Fugen geraten.

Als sich das Publikum schon mit dieser wenig neue Erkenntnisse bietenden Sicht abgefunden hat und sich umso mehr über die wunderbar komödiantisch auftretenden Handwerker amüsiert, die - als groteskes Spiel im Spiel - den eher gelangweilt als glücklich vereinten Paaren die Tragödie von Pyramo und Thisbi geben, geschiehts: Gerade hat sich (die bärtige) Thisbi auf Stöckelschuhen ihrem Pyramo nach ins überdimensionierte Pappmaché erschwert gestürzt, ihr Handtäschchen baumelt noch am Griff, da fragt ausgerechnet der sonst so coole Theseus, der seine Braut Hippolyta zuvor ausschließlich als Eroberung betrachtet und behandelt hat: "Würdest du das auch für mich tun, für mich sterben?" Weil auch Lysander und Demetrius diese Frage plötzlich auf der Seele brennt, entspinnt sich erstmals ein Zwiegespräch zwischen Frau und Mann. Ein unverhofft poetischer Moment in einem sonst nüchtern, aber kurzweilig erzählten und gespielten Stück. Wie tragfähig der sein wird, ist nicht Gegenstand der Inszenierung. Die endet, wie sie muss, mit Puck.