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Im Gespräch mit Frank Bernhardt über das Internationale Figurentheaterfestival "Die Kollegen haben etwas zu sagen"

31.05.2011, 04:33

Das Internationale Figurentheaterfestival wird zum neunten Mal vom Puppentheater Magdeburg organisiert und zum neunten Mal hat Frank Bernhardt den Hut dafür auf. Grit Warnat hat mit ihm über das Festival (18. bis 24. Juni) gesprochen, das in der europäischen Figurentheaterwelt als eines der bedeutendsten gilt. 250 Künstler aus elf Ländern, 12 Deutschlandpremieren und sechs Auftragsproduktionen sprechen dafür.

Volksstimme: Es ist Tradition des Festivals, mit "La notte" zu neuen Ufern aufzubrechen. Am 18. Juni wird sich der Wissenschaftshafen in ein gigantisches Theater verwandeln. Ist die Örtlichkeit ein Traum von Ihnen?

Frank Bernhardt: Ich hatte gesucht und erst die Maybachstraße, dann die Festungsanlage Kleve und auch den Fürstenwall ins Auge gefasst. Aber als ich für mich den Wissenschaftshafen entdeckt habe, war ich wie elektrisiert. Da ich auch noch unglaublich viele kooperative Partner gefunden habe, war ich von dieser Idee nicht mehr abzubringen.

Volksstimme: Sie haben im Klosterbergegarten, in Buckau, im Schiffshebewerk immer urbane Räume in den Mittelpunkt von "La notte" gestellt. Worin sehen Sie das Besondere am Wissenschaftshafen?

Bernhardt: Neues und Altes begegnen sich hier. Da hat man alte Speicher, das Elektrizitätswerk und in Nachbarschaft moderne Architektur, junge Wissenschaftsunternehmen, die Montego Beach Bar. Das alles verkörpert Historie und Aufbruch. Eine wunderbare Symbiose finde ich.

Volksstimme: Sie haben gesagt, Sie wollen wieder ein Signal aussenden.

"Uns ging es immer auch um Stadtidentität"

Bernhardt: Uns ging es immer auch um Stadtidentität. Ich glaube schon, dass "La notte" beispielsweise Initialzündung war für die Entwicklung im Buckauer Engpass. Ähnliches erhoffen wir für den Wissenschaftshafen, der in der Entwicklung ist und für den es einen Masterplan gibt. Aber noch lange hat nicht jeder Magdeburger dieses interessante Stückchen Stadt für sich entdeckt.

Volksstimme: Nach "La notte" wird es noch zwei Exkursionen in den Wissenschaftshafen geben. Warum wird "La notte" noch einmal aufgesplittet?

Bernhardt: Ich habe nicht nur Darbietungen gesucht und eingekauft, die inhaltlich gut an den Ort passen, sondern wir entwickeln auch sechs Produktionen speziell für die Festivaleröffnung. Es wäre zu schade, wenn diese Produktionen nur an einem Abend laufen würden. Bei den Hafenexkursionen gibt es dann speziell das zu sehen, was für diesen Ort ausgearbeitet wurde. Wir haben ja auch das Gelände extra dafür erschlossen.

Volksstimme: Wer "La notte" kennt, weiß, dass es schier unmöglich ist, alles zu erleben.

Bernhardt: Ich befürchte, dass das auch diesmal wieder so sein wird. Wir haben 150 Künstler aus acht Ländern auf 23 Szenenfläche und in 5 Gastronomiebereichen.

Volksstimme: Das ist ein großer logistischer Kraftakt.

Bernhardt: Das stimmt, aber dafür wird es auch wieder eine ganz besondere Nacht. Ich werde heute noch auf unsere Festivaleröffnungen im Buckauer Engpass und im Klosterbergegarten angesprochen. Die liegen vier und sechs Jahre zurück.

Volksstimme: Beim letzten Festival setzten Sie auf mehrere Spielstätten in der Stadt. Warum nutzen Sie jetzt viel stärker die Bühnen im eigenen Haus?

Bernhardt: Es gibt Festivalgänger, die zwei, drei Vorstellungen am Tag sehen wollen. Das war durch die räumliche Trennung unmöglich. Wir wollen unser Haus als zentralen Ort definieren, an dem jeder Festivaltag ausklingen kann.

Volksstimme: Sie haben 250 Künstler zu Gast. Gibt es eine Theatergruppe, auf die Sie sich besonders freuen?

Bernhardt: Ehrlich gesagt, freue ich mich auf alle. Natürlich gibt es Gruppen, die Maßstäbe setzen mit ihrem besonderen Können. Neville Tranter zum Beispiel gehört zu den weltbekanntesten Puppenspielern und ist mit seiner Inszenierung "Punch and Judy in Afghanistan" unglaublich politisch und zugleich humorvoll. Duda Paiva ist eigentlich Tänzer und hat für sich das Puppenspiel entdeckt. Seine Tanzfähigkeiten und sein Puppenspiel sind unverwechselbar. Yael Rasooly aus Israel arbeitet ausschließlich mit Papier. Ich mag auch sehr das Vélo Théâtre aus Frankreich, das vor sechs Jahren zum letzten Mal hier war, tolle Spieler hat und ein sehr poetisches Bildertheater bietet. Da bin ich sehr glücklich, dass wir sie mit einer Deutschlandpremiere hier haben. Das sind nur einige Beispiele, die aber das unglaubliche Spektrum deutlich machen.

"Wir wollen unser eigenes Potenzial präsentieren"

Volksstimme: Haben Sie die Inszenierungen gesehen?

Bernhardt: Ich sehe mir im Vorfeld alle Inszenierungen an und suche aus. Wir sind und wollen ein Einladungsfestival bleiben.

Volksstimme: Ihr eigenes Haus ist mit fünf Produktionen vertreten - so viel wie noch nie zuvor. Gibt es einen besonderen Grund?

Bernhardt: Ja.

Volksstimme: Die Kosten?

Bernhardt: Nein. Unser Theater hat sich künstlerisch überaus positiv entwickelt. Wir haben beispielsweise mit "Reineke Fuchs" und Shakespeares "König Richard III." anspruchsvolle Inszenierungen. Wieso sollen wir nicht unser eigenes Potenzial auf einem eigenen Festival zeigen?

Volksstimme: Wie schwer ist es, im neunten Festivaljahr neue Akzente zu setzen?

Bernhardt: Mir geht es mehr darum, dass die Kollegen etwas zu sagen haben und weniger darum, eine formalästhetische Entwicklung nachzuweisen. Wir Puppen- und Figurenspieler möchten nicht auf die Form reduziert werden. Es gibt viele Künstler in unserem Genre, die sich als politische Menschen begreifen und das auch auf die Bühne bringen. Mich interessiert mehr der Inhalt, mehr das Engagement der Spieler zu Fragen, was unsere Welt ausmacht. So gesehen, ist es nicht schwer, neue Akzente zu setzen.

"So hektisch wie vor einigen Jahren bin ich nicht mehr"

Volksstimme: Das Magdeburger Puppentheater hat sich mit dem Festival einen Namen erarbeitet. Fällt es Ihnen heute leichter, dieses Programm auf die Beine zu stellen?

Bernhardt: Eigentlich nicht. Man hat zwar mehr Erfahrungen, auch viel mehr Kontakte als vor Jahren, aber immer wieder baut sich solch eine Festivalorganisation wie ein gewaltiger Berg vor einem auf. Die Arbeit ist alle zwei Jahre gleich intensiv. Und die Verantwortung wird ja auch nicht weniger.

Volksstimme: Aber man wird entspannter ...

Bernhardt: Ja. So hektisch wie vor einigen Jahren bin ich nicht mehr. Ich kann mich noch gut an die erste "La notte" 2003 im Klosterbergegarten erinnern. Das war sehr weitläufig und ich wollte überall sein und sehen, wie es läuft. Meine neuen Schuhe, die ich anhatte, waren nach dem Abend durchgelaufen. Ich konnte sie wegschmeißen. Das passiert mir nicht mehr. Auch wenn im Wissenschaftshafen das zu bespielende Areal sechs Hektar groß sein wird.

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Kartenvorverkauf für alle Veranstaltungen im Puppentheater, 0391/5403310, und für "La notte" im Volksstimme-Service-Center., biber-ticket-Hotline: 01805/121310.