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Anhaltisches Theater Dessau zeigt "Das Leben der Anderen" Ostermaiers Bühnenfassung schreibt Filmgeschichte fort

22.03.2011, 04:30

Ist es ein Wagnis oder vielleicht ein Experiment, "Das Leben der Anderen", diese unter gleichem Titel erfolgreich verfilmte Stasi-Geschichte als Theaterstück aufzuführen? Der junge Regisseur David Ortmann hat die Schauspielfassung dieses Stoffes von Florian Henckel von Donnersmarck in der Bearbeitung von Albert Ostermaier auf die Studiobühne des Anhaltischen Theaters Dessau gebracht.

Von Helmut Rohm

Dessau-Roßlau. Zustande gekommen ist keine Filmnacherzählung, obwohl ausgewählte Protagonisten handelnde Personen sind. Ebenso wenig ist das Stück eine historische Stasi-Aufarbeitung, keine Typisierung im Sinne von: So waren die Stasi und die von ihr Gepeinigten. Mehr ein psychologisch geprägtes Hineinhören in die Köpfe von Personen, die mehr oder weniger, gewollt oder gezwungenermaßen, auf dieser oder jener Seite des Geschehens in dieses gesellschaftliche Beziehungsgeflecht eingebunden worden sind.

Das von der Ausstatterin Nicole Bergmann geschaffene Bühnenbild zwingt zur Konzentration auf die Inhalte. Handlungen im Sinne von Aktion sind kaum zu erleben. Nur hin und wieder werden Dialoge angedeutet.

In drei symbolhaft nebeneinander angeordneten gleichgroßen containerartigen Kabinen erlebt der Zuschauer den abhörenden Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Gerald Fiedler), den abgehörten Theaterschriftsteller Georg Dreyman (Karl Thiele) und den liebestollen und gleichsam gefühlskalten machtausnutzenden Kulturminister der Republik, Bruno Hempf (Hans-Jürgen Müller-Hohensee). Diese drei so ganz unterschiedlichen Personen eint gewissermaßen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, die schicksalshafte Liebe zu einer Frau, der Schauspielerin Christa-Maria Sieland (Eva Marianne Berger). Sie ist Lebensgefährtin des Dichters.

Lebensgeschichten in Monologen

Wieder symbolisch agiert sie räumlich positioniert über den drei Männern, hat aber weder Macht oder Einfluss auf sie, ist mehr deren "Spielball". Dieses ungewollte Los, auch der erzwungene Verrat an ihrem Gefährten Dreyman, erfährt durch Eva Marianne Berger Glaubwürdigkeit.

Die drei Männer erzählen in oft abrupt wechselnden Monologen ihre Lebensgeschichte. So entwickelt sich keine in sich geschlossene Handlung. Dem Zuschauer bieten sich jedoch teils bruchstückhafte Einblicke in Beweggründe für Denken und Tun. Das Kennen des Filmes ist dabei unter Umständen vorteilhaft.

Selbstzweifel eines Stasi-Offiziers

Der linientreue, in Befehlsausführung und auch mit strammer Körperhaltung agierende Stasi-Offizier beginnt nachzudenken. Gerald Fiedler gestaltet diesen mit vielen Selbstzweifeln und Gewissensnöten gesäten Weg ebenso nachvollziehbar wie seine wohl mehr platonisch geprägte Liebe zur Schauspielerin. Sie hat er ebenfalls abgehört, zum Verrat eher getrieben als überzeugt. Er möchte wiedergutmachen, lässt die belastende Schreibmaschine aus Dreymans Wohnung verschwinden. Und – findet sich dann abgemahnt im Brieföffungskontrollkeller der Stasi wieder.

Dreyman weiß von dem Techtelmechtel seiner Frau mit dem Minister, leidet zwar darunter, nimmt es hin, wie auch den erzwungenen Selbstmord seines Verlegers. Karl Thiele lebt diese passive Toleranz in seiner Rollenführung stimmig aus. Hans-Jürgen Müller-Hohensee zeichnet einen Minister, über den der Zuschauer lachen kann, wenn er "meine Christa" im fiktiven Dialog anhimmelt, er mit dem Liebes-Hotelzimmer-Kopfkissen erotische Anwandlungen vollführt. Doch der Atem stockt: Von jetzt auf sofort befiehlt er mit einem kurzen Telefonanruf Verbrechen, hin bis zum Töten. Auch Christa-Maria Sieland wird in den Tod getrieben.

Autor Albert Ostermaier schreibt zum Abschluss seiner Fassung gewissermaßen den Film fort. Es ist 2009. Der Stasi-Hauptmann ist bei der Polizei, unauffällig, Dienst nach Vorschrift. Autor Dreyman wird erstaunlichwerweise sehr aktiv, weil er nicht mehr verlegt wird. Sein Ausweg ist der Suizid. Und der bislang zynische Minister? Er ist der Gewinner, ist obenauf. Er hat sich rechtzeitig gesundgestoßen. Und ein zweites Standbein ...

Alles in allem eine gelungene Inszenierung mit Anspruch an ein mitdenkendes Publikum.

Die nächste Aufführung ist am Sonnabend, dem 26. März, um 19.30 Uhr.