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" Heimsuchung " – Gastspiel aus Altenburg Keine Figur, deren Geschichte berührt

Von Liane Bornholdt 19.04.2010, 07:25

Magdeburg. Im Rahmen des Theaterprojektes OstOstOst am vergangenen Wochenende war am Sonnabend die Produktion der Bühnen der Stadt Gera aus dem Landestheater Altenburg im Magdeburger Schauspielhaus zu Gast. In einer Dramatisierung von Anja Gronau und Anne-Sylvie König zeigten die Thüringer Gäste eine Bühnenfassung von Jenny Erpenbecks 2008 erschienenem Roman " Heimsuchung ".

Wie der Roman beginnt auch das Theaterstück mit einem Prolog über die Eiszeit, welche die Märkische Landschaft formte und in ihr den Scharmützelsee, und noch während die Besucher ihre Plätze finden, regt sich Menschliches unter dem erdgeschichtlichen Weiß. Der geschichtliche Bogen von den Jägern und Sammlern zur Dynastie der Dorfschulzen im schon bürgerlichen Preußen wird sehr rasch geschlagen bis 1936 das Haus am See gebaut wird.

Das Theaterstück lässt hier schon einige Figuren auftreten, vier Schwestern zum Beispiel deren Jüngste das Grundstück am See als Erbteil erhält. Aber bereits hier haben sich die historischen Zeiten im Ungefähren verloren. Aus der schon sehr verdichteten Romanvorlage sind in der Bühnenfassung kleine Puzzelteile geworden, die zusammenzufügen noch dadurch erschwert wird, dass die zahlreichen Figuren von sechs immer gleichen Schauspielern, Peter Donath, Manuel Kressin, Judith Mauthe, Jochen Paletschek, Luzia Schelling und Heide Simon, dargestellt werden.

Unspezifisch im Stil des 20. Jahrhunderts gekleidet ( Kostüme : Olaf Habelmann ) kann man auch nicht am Spiel, am Sprachstil oder anderen theatralischen Mitteln erkennen, wer aus welcher Zeit berichtet, denn wie auch Erpenbecks Roman springen die Episoden aus dem Leben der Hausbewohner durch die Zeiten. Was aber im Buch noch kunstvoll komponiert erscheinen mag, vereinzelt sich auf der Bühne. Es erscheint der Architekt, Nazibaumeister wohl, welcher eine " Entjudungsabgabe " zu leisten hat. Es erscheint ein Kind Elisabeth, welches nach einer amerikanisch-australisch-englischen Schwester genannt ist, es erscheint eine 12-jährige Doris, die ihre Eltern benennt. Einnahme durch die Rote Armee mit seltsamem Ausflug in " Feuchtgebiete "… Dazwischen treten eine Großmutter und Enkelin, die schließlich doch erkennbare autobiografische Züge Jenny Erpenbecks tragen, falls man was weiß von Fritz Erpenbeck und Hedda Zinner. Für sich sprechen auch diese Figuren nicht.

Was von der Geschichte eines dreiviertel Jahrhunderts erzählt wird, sind keinerlei Neuigkeiten, ein paar historische Splitter, die zwar persönlich erzählen wollen, da man aber von den Personen nichts weiter weiß, bleiben es Suchbilder. Am besten gelungen sind einige kleine poetische Naturbilder, die immerhin zeigen, dass Regisseurin Anja Gronau eine versierte und geschickte Theaterfrau ist.

Das Stück endet wie auch der Roman damit, dass das Haus nach einer undurchsichtigen " Rückübertragung " in den 2000 er Jahren - an wessen Nachkommen auch immer ? - sachgemäß abgerissen wird, um Platz für einen Neubau zu machen. Natürlich ist es immer ein Wagnis, einen Roman auf ein Bühnenstück zu kürzen, wenn aber schon die Prosavorlage so sehr verdichtet und verknappt ist wie Erpenbecks " Heimsuchung ", hätte man den möglichen " Resten " viel schärferes Profil geben sollen, damit überhaupt noch lebensfähige Personen auf die Bühne kommen. Das ist eigentlich nicht gelungen. Es bleibt keine Figur übrig, deren Geschichte berührt und bewegt, und um das Haus scheint es am Ende nicht mehr schade gewesen zu sein, wenn es so leichten Herzens abgerissen wurde.

Als Geschichtspanorama taugt diese Heimsuche auch nicht, und gerade für die Nachgeborenen nicht, die sich ohnehin durch allzu viele Klischees hindurchgraben müssen, um das 20. Jahrhundert zu verstehen. Es war ein Versuch, der aber kein guter Theaterabend wurde.