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18. Kurt-Weill-Fest : Uraufführung auf der Bauhausbühne Dreigoscherln und ein Bordell in Songspiel für 21. Jahrhundert

Von Helmut Rohm 06.03.2010, 04:49

Nachdem das 18. Kurt-Weill-Fest mit der Uraufführung des Auftragswerkes " Die Wunde Heine " von Helmut Oehring eröffnet wurde, folgte am Donnerstagabend die zweite von der Kurt-Weill-Gesellschaft in Auftrag gegebene Komposition. Auf der Bauhaus-Bühne in Dessau gelangte " Bodellballade. Ein Dreigoscherlnstück " von Moritz Eggert ( Musik ) und Franzobel Text ) zur Uraufführung. Das Stück ist eine Koproduktion mit dem Theater Koblenz und der Neuköllner Oper Berlin.

Dessau-Roßlau. Dieses " Songspiel des 21. Jahrhunderts ", ein " kleines, dreckiges Stück, anstelle großer Oper ", so der Komponist, nimmt den Zuschauer mit in ein kleines Bordell. Eines, das es eigentlich gar nicht gibt – ebenso wie einst die Stadt Mahagonny aus dem " Mahagonny Songspiel " von Weill / Brecht aus dem Jahr 1927.

Die Bezugnahme auf dieses Stück, dessen ideelle " Fortschreibung ", auch einige satirische Blicke auf die " Dreigroschenoper ", sind gewollt. Die Bauhausbühne ist stimmiger Ort für solche künstlerischen Experimente mit heutigen Sichten. Wenig Bühne. Das Bordell ist mehr ein größerer Abstellraum. Das Augenmerk, die gespannte Konzentration der Gäste, ganz nah dran am Geschehen, im ausverkauften historisch geprägten Raum ist so auf die Handlung gerichtet.

Das kleine Acht-Musiker-Orchester im " linken Bühnenschiff " unter Leitung von Arno Waschk am Klavier ist ebenfalls " ganz nah dran " – nicht nur räumlich, vielmehr bravourös im Zusammenwirken mit den Mimen im Puff.

Dem Bordell mit Namen " Menschenhaus ", an einem Ort " jenseits der Grenze und jenseits aller Grenzen ", geht es überhaupt nicht gut – die Wirtschaftskrise ! Dort trifft sich ein illustrer Kreis, in dessen Tun sich die gegenwärtige Gesellschaft mit ihren sozialen und politischen Befindlichkeiten widerspiegelt. Eine große, dramatisch straff fortführende Handlung haben Eggert / Franzobel gar nicht konzipiert, obwohl es flott, derb, brutal – auch blutig – zugeht. Das alles in gelungenem Spagat zwischen Realität und humorvoller Satire.

Den beiden " Machern " geht es wohl mehr um das " Innere ", um die Aufdeckung der teils verborgenen Sehnsüchte, Wünsche, Hoffnungen, auch handlungsbeschränkender Grenzen. Das Darstellerteam ist engagiert dabei. Das Publikum von Beginn an von der Story gefangen.

Puffmutter Rosl ( Claudia Felke ) und ihre " Mitarbeiterinnen " Ferkel ( Dorothee Lochner ) und Zuckergoscherl ( Isabel Mascarenhas ), ganz verschieden in ihren Ansprüchen, entscheiden sich aus wirtschaftlichen Überlegungen statt für " Geld für Liebe " für " Liebe gegen Ware ". Das geht natürlich letztendlich auch nicht auf. Der Mafiosi Kirschgarten, smart und allglatt von Adrian Becker gespielt und mit sonor beeindruckendem Bass gesungen, und der von ihm als elegant wirkender, doch brutaler Helfershelfer rekrutierte Bussibär ( Matthias Schaletzky ) haben so ihre Probleme. Das Schutzgeld ist nicht einzutreiben. Mittendrin, ein wenig vielleicht auch das unschlüssige und hin und her gestoßene Volk repräsentierend, irrt der Bordell-Kunde Metzger Alfred umher.

Das Beeindruckendste des knapp zweistündigen Stückes ist allerdings das Wie der Präsentation : Songspiel eben. Eggert / Franzobel haben, in Anlehnung an ihre genannten Vorbilder, insgesamt 21 Songs komponiert / getextet. Mit ihnen wird die Geschichte beschrieben, respektive gesungen, die jeweiligen Figuren bestens charakterisiert, gut verständlich und trefflich in der Sache. Ob " Kann man denn Liebe kaufen ", " Das Lied vom goldenen Handwerk " oder das abschließende " Was heißt es Mensch zu sein " kommen beim Publikum gut an. Es sind eingängige, fast gleich mitsingbare, vielleicht sogar hitverdächtige Songs. Sie " transportieren " das zu Sagende in unterhaltsamer, ebenso mit eindrucksvoller Klarheit in die Welt. Ganz viel Beifall gab es für diese gelungene Uraufführung.