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Atelierbesuch bei Claudia Berg, deren Arbeiten in vielen Sammlungen zu finden sind Grazile Espen, schwere Köpfe und Gedichte

Von Jörg-Heiko Bruns 17.12.2011, 04:23

Zeichnungen mit Kohle auf Tusche oder mit Silberstift und Kaltnadelradierungen dominieren das Werk der jungen Künstlerin Claudia Berg. Jörg-Heiko Bruns besuchte sie in ihrer Hallenser Wirkungsstätte.

Halle. l Unweit der berühmten Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle zweigt die kleine Gabelsbergerstraße von der Burgstraße bergauf ab. Eine Mischung von dörflicher Stille und städtischer Parkplatznot empfängt den Besucher.

Das äußerlich schmale Anwesen der Familie Berg entpuppt sich als wohldurchdachte und exzellent gestaltete Wohn- und Arbeitsstatt.

Claudia Berg gehört zu den vielen Künstlern in Halle, die hier studiert haben und unbedingt an der Saale mit den alten Burgen bleiben wollten. Sie hat aber doppelten Grund, sich gerade hier ihre Existenz aufzubauen, denn sie ist hier geboren und hat schon in der Kindheit mit ihren Eltern die Saale-Aue und das Mansfelder Land durchwandert und als Erlebnis in sich gespeichert.

Sie ist sozusagen dieser eigenartigen Landschaft tief verbunden. Sie hat sich aber auch in die weite Welt begeben. Ihr Hallenser Studium von 1995-2002 erweiterte sie durch ein Studium im spanischen Valencia, im chinesischen Tianjin und in Amsterdam, ehe sie 2002 ihr Diplom bei den Professoren Ruddigkeit, Rug und Brade ablegte.

"Das mache ich doch gern, das ist doch mein Job."

Ihre Vita verzeichnet 14 Preise seit 1994. Noch beeindruckender ist die Zahl ihrer Ausstellungen in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, in Spanien und Österreich und natürlich immer wieder in Deutschland. So kamen ihre Arbeiten auch in viele öffentliche Sammlungen in aller Welt.

Als sie mir ihre originalgrafischen Bücher im oppulenten Mappenformat vorstellt, ist sie ganz stolz auf ihre Künstlerbücher: "Davon lebe ich", sagt sie lapidar und unvermittelt.

Ich kann es kaum glauben, denn solche Sätze sind in der Kunstlandschaft echte Raritäten. Seit 1998 erschienen die inzwischen 14 originalgrafischen Bücher noch im Zweijahresrhythmus, seit 2007 in einjährigem Abstand, manchmal sogar zwei pro Jahr.

Der Aufwand ist hoch und wer ihre Ernsthaftigkeit bei der künstlerischen Arbeit kennt, weiß, wie viel Kraft sie kostet. Hinzu kommen noch sieben illustrierte Bücher, die mit eigenständigen Bildern eben keine erklärenden Zugaben zum Text sind, sondern mit ihrer künstlerischen Qualität das Buch veredeln.

Die Auflagen ihrer originalen Bücher und Mappen sind nicht hoch, denn die Platte der Kaltnadelradierung lässt keine größere Zahl zu. Wenn man dann zum Verbleib der vergriffenen Auflagen recherchiert, findet man erstklassige Sammleradressen wie die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, die Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, die Bibliothek Nationale de France Paris, das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, die Kunstbibliothek Berlin und viele andere, natürlich auch private Sammlungen.

Danach gefragt, ob denn die Produktion der Bücher neben der Familie mit zwei kleinen Kindern nicht doch etwas zu viel sei, sagt sie "Wieso, das mache ich doch gern, das ist doch mein Job."

Das merkt man den Zeichnungen und Radierungen unbedingt an, auch wenn sie sich in der Tat manchmal durch zahlreiche, dann verworfene Andrucke der Radierungen durchschindet, bis das Ergebnis von ihr akzeptiert wird.

Ihre Landschaften sind karg. "So viel wie möglich mit so wenig wie möglich", ist ihr Credo. Immer wieder tauchen die Landschaften mit ihren spitzkegeligen Halden auf. Die grazilen Espen haben die Menschen in die aufgewühlte Landschaft gepflanzt, die kahlen Bäume ducken sich in die Landschaft oder recken sich in den Himmel.

"Nur was ich gezeichnet habe, habe ich wirklich gesehen."

Der blattlose Winter ist die beste Zeit für die Künstlerin. Sie zieht bei Wind und Wetter mit der Kupferplatte in die Landschaft, radiert vor Ort oder zeichnet mit dem Silberstift, bestenfalls fotografiert sie noch einmal zur späteren Kontrolle und zum Vergleich. "Sie zeichnet eigentlich immer", sagt ihr der freundschaftlich verbundene Lehrer von einst, Helmut Brade, und die noch junge Künstlerin ergänzt: "Nur was ich gezeichnet habe, habe ich wirklich gesehen."

Ihre Köpfe haben da etwas Mythisches, kommen nicht ganz so leicht daher wie manche Landschaft, wirken schwer und erdverbunden. Sie wirken wie die Personage überlieferter Dichtungen oder Sagen. Aber in beiden, Landschaften und Köpfen, spürt man, wie es aus der Künstlerin herausdrängt.

Claudia Berg interpretiert ihre Sicht als "gegenstandlose Gegenständlichkeit", die von den filigranen Landschaften bis zu den kraftvollen Köpfen reicht. An Ideen mangelt es nicht. Gerade hat Claudia Berg eine neue Reihe originalgrafischer Künstlerbücher aufgelegt, die Romantik-Reihe beginnt mit Liebes- und Landschaftsgedichten von Heinrich Heine und Johann Wolfgang Goethe folgt sogleich.

Übrigens: Im Hotel des Wörlitzer Parkes "Zum Stein" liegt nicht mehr die Bibel im Nachtschränkchen der Zimmer, sondern August von Rodes "Beschreibung ... des Englischen Gartens zu Wörlitz" von 1814 mit 35 Zeichnungen von Claudia Berg.