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Gebürtige Halberstädterin schreibt in ihrer Autobiografie über die "Eroberung" des Kanzlers Bruhns: "Da war nichts mit Willy Brandt"

02.03.2012, 04:20

Wibke Bruhns ist freiwillig als erste Nachrichtenfrau im ZDF und unfreiwillig als "Eroberung" des SPD-Kanzlers Willy Brandt berühmt geworden. Da war nichts dran, schreibt die gebürtige Halberstädterin. Und das Vorlesen von Meldungen fand sie stinklangweilig.

München (dpa) l So geradeaus, unbeeindruckt und interessant hat selten ein Promi früheren Sex-Klatsch dementiert. Mit Willy Brandt sei nie was gewesen, auch nicht nachts zu zweit in der Jerusalemer Hotelsuite des damaligen Kanzlers auf Israel-Besuch 1973, berichtet Wibke Bruhns in ihrer Autobiografie "Nachrichtenzeit". "Er sprach und sprach", schreibt die heute 73- jährige Journalistin. "Nach anderthalb Stunden stand er auf, ich auch - er küsste mich väterlich auf die Wange. Ich war entlassen. Es war gegen zwei Uhr morgens."

Ab zwei Uhr morgens war aber auch die Legende von der Affäre zwischen dem als Schürzenjäger geltenden SPD-Chef und der 25 Jahre jüngeren ZDF-Nachrichtenfrau endgültig in der Welt.

Grenzenlos Interessantes aus den 1970er Jahren

Bruhns schreibt unerschrocken dagegen an. Von gemeinsamen Sommerferien mit Brandt im selben Jahr in Norwegen erzählt sie, dass sich vor allem eine Freundschaft mit der dort geborenen Ehefrau Rut Brandt (gestorben mit 86 in Berlin 2006) entwickelt habe. Und wie das war mit ihrer Einladung zum Fischessen für den mitgereisten Kanzlerreferenten Günter Guillaume, dessen Enttarnung als DDR-Spion 1974 den Ausschlag zu Brandts Rücktritt als Kanzler gab.

Bruhns hat aus dieser ersten Hälfte der 1970er Jahre fast grenzenlos Interessantes zu erzählen, es war "ihre" Zeit. Sie wurde bekannt als erste Frau vor der Kamera bei einer ZDF-Nachrichtensendung und wirbelte als Medien-Promi bei Wahlkämpfen mit Günter Grass für die SPD. Eine Vermischung von Aufgaben, die heute wohl undenkbar wäre.

Zu den Stärken dieser Erinnerungen gehört Bruhns\' unkomplizierter, uneitler und pragmatischer Grundton. "Zu dem Zeitpunkt war ich damit beschäftigt, dem Fernsehvolk Nachrichten vorzulesen", schreibt sie über das "Beben" in der Republik, weil nun erstmals eine Frau zur Hauptsendezeit Weltnachrichten präsentieren durfte. Die Vorzeigefrau fand das Vorlesen vor Kameras stinklangweilig. Man registriert es dankbar - eingedenk der grenzenlosen Aufregung über den Erfolg oder Misserfolg heutiger Moderatoren beiderlei Geschlechts beim Ablesen von Telepromptern.

Unterwegs als Auslandskorrespondentin

Wibke Bruhns zog Konsequenzen aus der Langeweile und heuerte beim "Stern" als Auslandskorrespondentin an. Um 1983 auf ihrem Nahost-Posten zu erfahren, dass in Hamburg eine Riege männlicher Chefs auf einen Fälscher von Hitler-Tagebüchern hereingefallen war. "Geldgier" lautet die auch hier erfrischend direkte Erklärung der Autobiografin dafür. Seufzend konstatiert sie zur eigenen Beteiligung an Betriebsbesetzung und anderen Kampfmitteln der "Stern"-Redakteure, dass Verantwortliche, alles Männer, auf noch besser dotierte Posten weggelobt wurden. Was wäre nach ihrer Meinung, wenn das dasselbe jetzt passieren würde? "Was damals die Republik erschütterte, ist heute die Norm."

Man schluckt, weil Wibke Bruhns bestimmt nicht unter nostalgischer Sinnestrübung leidet. Eigene Weichenstellungen werden auch mit Blick auf das Bankkonto begründet, wie das für die meisten Menschen ebenso ist im Leben. Aber selten öffentlich bekannt wird.

Vielleicht hätte dieser uneitle Blick auch helfen können, ihre Aufzeichnungen über spätere Lebensabschnitte zu straffen. Die Gestaltung des Hauses im elsässischen Ingolsheim, ("Das Frühjahr \'89 stand für mich im Zeichen des Gartenbaus.") und der Umzug zum jetzigen Wohnort Berlin mit Handwerkerproblemen fesseln eher weniger.

Bis dann erzählt wird von einer späteren großartigen Lebensleistung: Zu den fast 3000 in Berlin-Plötzensee hingerichteten Nazi-Gegnern hat auch Bruhns\' Vater Hans-Georg Klamroth gehört, gehängt als Mitwisser des missglückten Hitler-Attentats am 20. Juli 1944. Die Tochter Wibke hat mit "Meines Vaters Land" (2004) ein wunderbar aufklärerisches, unpathetisches Buch darüber geschrieben, was das für die Familie bedeutet hat. Das ist wichtiger als die Frage, was mit Brandt lief.