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Begeisterung für Ballett-Uraufführung in Dessau Ist da noch Hoffnung im "Nachtasyl"?

Von Helmut Rohm 31.05.2010, 05:20

Dessau-Roßlau. Ein großes schwarzes Tuch überdeckt am Schluss die gesamte Bühne. Die letzten leisen Töne von Detlef Glanerts Komposition "Mahler/Skizze" verlieren sich im Raum. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es oft. Für die noch im Nachtasyl Verbliebenen hat offensichtlich die Hoffnungslosigkeit gesiegt.

Im Anhaltischen Theater Dessau hatte am Sonnabend-abend die Ballett-Uraufführung "Nachtasyl – Szenen aus der Tiefe" in der Choreografie von Ballettdirektor Tomasz Kajdanski Premiere. Literarische Vorlage bildet Maxim Gorkis gleichnamiges Schauspiel aus dem Jahr 1901.

Kajdanski konfrontiert die Zuschauer mit den Zuständen in einem heutigen "Nachtasyl". Symbolhaft lokalisiert er das mehr Zusammenhausen dieser Gruppe im und mit dem Leben nicht Zurechtkommender in einem großen Schwimmbecken (Ausstattung Dorin Gal).

Im ersten Teil "Rasend vor Ohnmacht" offenbaren die Tänzer schonungslos die Lage der von ihnen dargestellten Personen. Die ausdrucksstarke Bewegung, die Mimik bis ins kleinste durchdachte Detail, potenziert durch die Anhaltische Philharmonie unter Wolfgang Kluge, lässt den Zuschauer eindringen in das oft erschütternde, von Ohnmacht, Wut, Verzweiflung, aber auch Wünschen geprägte Fühlen und Handeln der Figuren. Nichts zum Genießen, wenn auch die durchweg professionelle Tanzinterpretation den Zuschauer fasziniert.

Als in Teil zwei ("Hoffnung") Luka (Joe Monaghan in Paraderolle), eine zwiespältige Gestalt, im Nachtasyl auftaucht, scheint es Hoffnung zu geben, eröffnet sich die Möglichkeit, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Schönbergs Komposition "Verklärte Nacht" bietet den stimmigen Background.

Luka geht. Im dritten Teil "Endzeit" brechen Hoffnung und Zuversicht wie ein Kartenhaus zusammen. Es wird noch dramatischer. Pepel (Juan Pablo Lastras-Sanchez) ermordet Kostylew (Gorden Wannhoff). Kleschtsch (Rai-Hilmar Kirchner) beerdigt seine Frau Anna (Anna Maria Tasarz). Der Schauspieler (Ion Beitia) begeht Suizid. Schließlich deckt das schwarze Tuch alles zu. Totales Chaos. Endzeit? Alles vorbei? Der Zuschauer wird, so er sich öffnet, zum Nachdenken angeregt sein.

In weiteren Rollen: Yun-Ju Chen, Laura Costa Chaud, Yuliya Gerbyna, Jonathan Augereau und Denise Evrard.

Das Publikum im gut besuchten Theater honorierte den Ballettabend mit Begeisterung und zahlreichen Bravos.